90 Tage unterwegs und 4'000'000 Meter auf Rädern gerollt

Weiterhin sind wir begeistert am radeln: Die 10% Steigungen fahren sich noch immer zäh, doch geniessen wir die Ausblicke aus der Höhe am liebsten, die rasanten Talfahrten machen uns noch immer am meisten Spass, wobei wir mittlerweile auch Gefallen daran finden, mit 25 km/h über langweilig gerade Strassen zu rollen. Die "Oberschenkelmüskeli" brennen wie das Olympiafeuerchen und unsere Allerwertesten schmerzen dann doch nach einiger Zeit im Sattel. Neben den "aktiven" Scheuerstellen lassen sich aber bereits auch schon erste hornhautartige Gebilde verzeichnen. -Wie machen das bloss die anderen Radreisenden?- Jedenfalls kommt nun auch Percy seit längerer Zeit ohne  Hirschtalg aus, die Tube ist längst leer...

 

Da wir täglich bis zu 4-6 Stunden radeln, entwickelt sich trotz "Belüftungspausen" ein humides Klima in den Schuhen und wird damit zum idealen "Gedeihungsgebiet" in dem sich vermutlich nicht nur Pilze wohlfühlen... Jedenfalls entdecken wir zwischen unseren Zehen kleine Risse die ganz schön fies brennen, die selfmade Ringelblumensalbe (noch aus dem eigenen Garten) wird's wieder richten - so hoffen wir.

 

Das nomadische Unterwegssein haben wir mittlerweile vollständig internalisiert, die Tagesabläufe gestalten sich im passenden Rhytmus: Aufstehen, Blasen leeren und Himmel abchecken, zusammenpacken und Tee/Kaffee kochen, mehrheitlich wird ausgiebig ge(früh)stückt und dann, gegen halb elf Uhr, ziehen wir gemütlich weiter. Nach ca. 30 km wird nach einem Café Ausschau gehalten, je nach Gegend dauert's dann doch noch 15 -20 km bis zur ersehnten Pause. Dann, nach dem "Befindlichkeitsresumée", wird auf der Karte der weitere Routenverlauf besprochen und allfällige Übernachtungsmöglichkeiten werden angepeilt.

       -Mittlerweile verlassen wir uns nicht nur auf eingezeichnete Campings auf maps.me,  sondern konsultieren noch google maps und die entsprechende homepage, falls eine existiert. Doch wie wir in Athen und in Molos (lese weiterunten) feststellen mussten, gibt selbst das noch keine Garantie dafür, dass die Angaben der aktuellen Realität entsprechen. Die moderne digitalworld hat so einige Macken :)-

Am Abend wird dann alles wieder ausgepackt, sobald das Zelt steht geht's ab ins Meer -sofern keine Quallen am Ufer entlang dümpeln - und anschliessend unter die warme Dusche -sofern vorhanden-. Danach wird gekocht und geschlemmt, gelegentlich schaffen wir noch einen kurzen Verdauungsspazottel, falls die Sonne nicht längst hinter dem Horizont verschwunden ist. Kaum liegen wir dann im Zelt, fallen uns die Augen zu. Im Halbschlaf erinnert man sich gegenseitig noch daran, wie wichtig das Dehnen ist, gedanklich verschiebt man die Tat auf den nächsten Morgen.

Die Handgriffe und Abläufe erfolgen bereits routiniert, jeder hat so seine "tasks" und via "jobsharing" erhalten wir letztendlich mehrheitlich ein effizientes Ergebnis. :)

 

Im Golf von Korinth zum Akrokorinth und bis nach Athen

Wir verliessen Akrata Beach -Chilldays- mit leckeren Farmerriegeln im Proviantgepäck. Vielen herzlichen Dank an die nette Bernerfamilie, unsere zweiten Riegelsponsoren. ;)


Dank einer netten deutschen Dame (haben leider verpasst nach dem Namen zu fragen), welche mit mir noch Lektürenmaterial austauschte und uns noch einige Tipps für Sehenswertes mitgab, besuchten wir kurz vor Korinth den Akrokorinth. Ohne Ballast flogen wir mit unseren Stahlpferdchen die 530 Höhenmeter hinauf zu den Vermächtnissen einst mächtiger Herrschervölker (Byzantiner, Venezianer und Korinther etc... -ich hatte in Geografie und Geschichte Fensterplätze :)- und liessen die geschichtsträchtigen Mauern auf uns wirken, insbesondere das Panorama hatte es uns jedoch angetan. Dann, auf dem Camping Blue Dolphin, wurden wir abends noch von Wolfi&Andrea auf ein Bier eingeladen, welche mit dem kleinen Meriba unterwegs waren.


Am nächsten Morgen peilten wir Athen an, nach einer ausschweifenden Irrfahrt um und über den Kanal in Korinth fanden wir uns dann plötzlich auf einer 4-spurigen, riesen Strasse wieder und wurden regelrecht nach Athen hineingezogen. Noch immer schaudert uns die Hühnerhaut bei dem Gedanken an die vorbeirauschenden Autos, vielleicht hatten wir Glück dass es Sonntag war... jedenfalls wussten wir genau wohin, dem Internet sei Dank, denn da gibt's ausserhalb des Zentums den Camping Markiri. Anhand der Karten waren wir auch theoretisch am richtigen Ort, die befragten Anwohner wussten praktisch von nichts. Nachdem wir einigemale die Täler und Hügel des Viertels erkundet hatten mussten wir aufgeben und landeten letztendlich völlig erschöpft auf dem teuren, unsympathischen Camping Athina. Abends gönnten wir uns leckeres, chinesisches Essen -Cécile's Magen jubelte- und wurden von mazedonischer Livemusik erheitert. Erst wollten wir uns ja eigentlich die Stadt und die Akropolis ansehen, doch wir hatten die Nase voll. So zogen wir es vor so schnell wie möglich raus aus dem Gewimmel, mit dem Ziel an der Ostküste entlang zu fahren und möglichst bald die türkische Grenze zu passieren. 

Glücklicherweise fanden wir am nächsten Morgen gleich ums Eck des Campings einen Velomech, der konnte Percy's Schaltkabel wieder "heil machen". -Dieses hing nur noch an einem verrosteten Drahtschnürchen-

Dann nach etwas längerem Suchen fanden wir einen Outdoorladen, bei dem sich Cécile eine ordentliche, kaum verwüstbare Isomatte kaufte und das Tatonkazelt mit neuen Zeltstangen ausgestattet wurde. Auf dem Weg dorthin fanden wir sogar einen Velohändler, der Kettenschlösser verkaufte (kommt zum Einsatz zur Überbrückung, falls Kette mal reissen sollte). Der Ladenbesitzer hat uns eins geschenkt, juhuu!


Begeistert über unseren Beutezug fuhren wir mit strahlenden Gesichtern weiter, bis uns vor lauter Verkehr, Gestank und Strassenwirrwar schwindlig wurde. Sobald wir ahnungslos am Strassenrand standen und die Strassenschilder und unsere Karte anstarrten, erlösten uns hilfsbereite Griechinnen und Griechen aus unserem Elend. So fanden wir den richtigen Weg und nach einer Ewigkeit hatte uns die Stadt endlich wieder ausgespuckt und wir fuhren auf der sogenannten Serviceroad Richtung Norden, Thessaloniki entgegen.


Da begegneten wir dem strahlenden, veloreisenden Daniel aus Deutschland und hielten mit ihm noch einen kurzen Schwatz. Mit Freude konnten wir ihm noch unsere Überbleibsel albanischer Lek und kroatischer Kunas übergeben. Wir wünschen dir weiterhin viel Freude, tolle Begegnungen, gut Luft und schneefreies Alpencrossing :)


Durch die Olivenbäume der Region Attika und entlang der Küste von Maliakos Kolpos

Als wir endlich wieder das Meer erreicht hatten blies uns ein kräftiger Wind um die Ohren. Wir standen ratlos vor dem offenen Tor des angepeilten Campings, welcher die Saison längst beendet hatte. Hungrige Katzen strichen geduldig um unsere Füsse. Kaum hatten wir unser Picnic eröffnet - mit vollem Bauch berät es sich besser - fuhr ein Pickup herbei. Es war der Campingbesitzer der uns kostenlos auf seiner Wiese übernachten liess. Wir freuten uns riesig über das heisse Duschwasser. ;)


Kurz nach Molos gönnten wir uns in Thermopiles ein muskelregenerierendes, heisses Schwefelbad aus natürlicher Quelle in freier Natur. Anschließend fanden wir am Paralia Pelasgias erneut ein romantisches Wildcamp in einer Müllhalde, beim Frühstück durften wir Delphine beim Fischfang beobachten. Was für ein Erlebnis!!! 


Nachdem wir zumindest einen kleinen Teil des Strandes vom Müll befreit hatten, düsten wir auf der Serviceroad weiter nach Larissa über eine Ebene von Ackerland, Baumwoll- und Solarzellfeldern. Dort trafen wir auf den veloreisenden Fabian, der unterwegs nach Indien ist (ab Athen mit Flugzeug) und hielten noch etwas verträumt von unseren morgendlich Erlebnissen einen Schwatz. Wir wünschen dir weiterhin viel Vergnügen beim Pässe erklimmen und dass die Hundeverfolgungsjagden immer gut für dich ausgehen. ;)


Kurz vor Sonnenuntergang hofften wir bei einem Bauern auf der Wiese unser Zelt aufschlagen zu können.  Letztendlich landeten wir Sonntagabend in einem staubigen Ackerfeld umgeben von Baumwollfeldern. (Pj: Natürlich arbeiteten die Gross-Maschienen bis morgens um 5 Uhr weiter auf dem Feld und die Moskitos dann ab 5 Uhr wieder, die kläffend-zähnefletschenden Hundegruppen dann um 5:15 Uhr erwähnen wir schon gar nicht mehr).


Bei Sonnenaufgang flüchteten wir nach Paralia Platamonas und liebäugeln nun mit der Besteigung des Olymps.


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Kommentare: 5
  • #1

    Ursula (Samstag, 28 Oktober 2017 20:21)

    Hallo ihr zwei,
    Eure Nachbarn und Käthi vom Oberiberg lassen euch grüssen und wünschen euch alles gute für die Weiterfahrt. LG Ursula

  • #2

    Stefan und Petra (Samstag, 28 Oktober 2017 20:42)

    Hallo ihr Zwei
    Petra hat mir soeben als Gutenachtgeschichte euren Bericht aus Griechenland vorgelesen. Wie schön, für Percy, dass es noch andere Berner gibt die mit überzähligen Riegeln in dieser Gegend unterwegs sind und ein grosses Herz für unterzuckerte Turnlehrer haben. ; -). Und auch für Cécile freuen wir uns sehr, dass sie wieder über eine wohlig-weiche Isomatte verfügt und die gebrochenen Zeltstangen ersetzt werden konnten. So lässt es sich sicher auch wieder luxuriöser campieren. Euer Routine-Rahmenprogramm tönt gut auch dass der kulinarische Bereich - Cafe (und Kuchen?) - Picknick etc. -nicht zu kurz kommt. Petra möchte noch anfügen, dass ihr schon bei der Vorstellung von 60kmh bergab schwindlig wird, in Winti getraut sie sich vom Rosenberg abwärts gerade mal knappe 25kmh... Wir wünschen euch auf der Weiterreise noch viele muskelentspannende Schwefelbäder, keine kläffenden Hunde und hoffentlich keine Kettenschloss-Noteinsätze. Mit Spannung bleiben wir euch aus der Ferne an den Pedalen.
    Herzliche Grüsse Stefan und Petra

  • #3

    Mom Eva (Samstag, 28 Oktober 2017 22:21)

    Liebe Cecile, lieber Percy-John
    Eure Reiseberichte freuen uns immer riesig. Und die wunderschönen Fotos, mit Sonnenuntergängen und Regenbogen. Wie ist das Wetter? Wird es immer wärmer?
    Unsere Koffer für die Donaufahrt von Passau bis zum schwarzen Meer sind gepackt und wir freuen uns auf die tollen Städte Wien, Budapest, Bukarest....
    In Gedanken sind wir immer bei euch. So gerne würden wir euch auch ein "Fresspäckli mir Riegeln, Rüeblikuchen" irgenwohin postlagernd schicken. Wo seid ihr an Weihnachten, Silvester?? Wir planen schon die nächsten Ferien...
    Liebe Grüsse von Bill und Clara und den ganzen Weibelclan, die interessiert alle eure Berichte lesen.
    Con mucho amor eure
    Eva Mom

  • #4

    Weibel Franz & Kathrin (Sonntag, 29 Oktober 2017 16:22)

    Hy ihr zwei
    man spürt förmlich euer Freud und Leid. Je grösser Leid, desto auch grösser die folgende Freud. Ihr macht das super. Vorsicht aber von den brutalen Hunden, die hatte ich auch schon zu nahe erlebt, da können manchmal auch ein paar grosse fliegende Steine etwas Luft machen. Hebäd eu sorg!

  • #5

    Luzia (Montag, 06 November 2017 15:40)

    Danke für euren Bericht, freu mi immer wieder mega von euren Abenteur zu lesen! ist wie fernschauen (oder fernträumen?) :-). Wollt ihr wissen was grad im Tägerwilen Ex-PJ-Lernbüro abgeht? Blick nach draussen: bedeckt, grau. es zieht unter dem Fenster durch, das heisst, es ist mega kalt und rufe wohl noch heute dem Automech an, dass er meine Pneu wechselt... (hab übrigens einen Nachfolger.. Renault Kangoo :-)) mein Hintern fühlt sich an, als wäre ich auf Velotour, hab gut sitzleder, lernenlernenlernen... und mein Herz flattert, wenn ich an die Prüfung in zwei Wochen denke.. also, ich glaube euch geht es echt gut!! :-) geniiiiesst es!