GR004: Geschüttelt aber gerührt!

Da ist ja nix dran...Fleischvogel?
Da ist ja nix dran...Fleischvogel?

... und wir rollen weiterhin mit Freude durch atemberaubende Landschaften. Obwohl die Sonne uns treu begleitet, weht uns bereits ein frischer Wind um die Nase, doch die Begegnungen mit den Menschen erwärmen unsere Herzen. 


 Die Region Makedonien lassen wir hinter uns und fahren nun -manchmal mit lästigem Gegenwind- durch Thrakien gegen Osten, immer weiter neuen und uns fremden Welten entgegen. 

Unsere Abenteuerherzen hüpfen vor Aufregung und die Neugierde kribbelt uns im Bauch, wie ein aufgewirbeltes Ameisennest, denn es sind nur noch 30 km bis zur türkischen Grenze. Damit beginnt in unserer Geschichte  sozusagen ein neues Kapitel, denn Percy war noch nie in der Türkei und meine romantischen Kindheitserinnerungen erweisen sich vielleicht nur noch  als wilde Fantasien. Wir werden ja sehen... nun erstmal legen wir nach 7 intensiven Radler- Tagen eine Verschnaufspause ein.
Hier in Alexandroupoli finden wir auf einem Camping alles was wir brauchen: Waschmaschine, heisses Duschwasser, Hochdruckreiniger für die Stahlpferdchen, einen Computer mit Internet (der zweite bisher), Meer mit wunderbarer Aussicht und nette Menschen...

 Kurzabriss der letzten Erlebnisse:

Asprovalta, spontane Einladung


Während wir dem Paralya entlangfuhren, um ein wohliges Schlafplätzchen zu finden, trafen wir Kostas beim Abendspaziergang auf der Strasse. Nach einem kurzen Schwatz wurden wir eingeladen unser Zelt in seinem Garten aufzustellen. Dankbar nahmen wir die Einladung an. Bevor wir jedoch das Zelt aufstellen konnten, kam Kostas mit seiner bulgarischen guten Fee im Schlepptau -oder umgekehrt- und forderte uns auf, sein Extra-Gästezimmer zu nutzen. Während die gute Fee das Zimmer noch herrichtete und uns via Zeichensprache erklärte, wo wir schlafen, kochen und duschen könnten, lud er uns anschliessend auf seinen Balkon ein. Bei Creekcoffee sassen wir auf dem Balkon mit herrlichem Ausblick, beobachteten das Farbenspiel der Abendsonne und lauschten den Geschichten von Kostas. {Er ist 91 und noch topfit, spricht einwandfreies Englisch und hatte einst die grossen Militärschiffe versorgt und betreut, 12'000 Eier pro Tag hat er geliefert. (6000 Seemänner erhielten je 2 Eier zum Frühstück). }


Wir wollten die beiden gerne für's Abendessen zu unserer traditionellen Gemüsepfanne einladen, doch es wurde abgelehnt, stattdessen sahen wir uns für's Breakfast verabredet. 


Zur frühen Abendstunde lagen wir dann kuschligweich gebettet und schliefen mit dem Gedanken ein, wie unhöflich es unserem Gastgeber wohl erscheinen mag, dass wir bereits schlafen gehen. Doch die Müdigkeit besiegte jegliches Gewissen.  


Zum Frühstück gab es dann wunderbare Brotschnitten in Ei ausgebacken mit Tahini-Honig, mmmhh war das lecker!
Wir waren überwältigt von dieser Gastfreundschaft, soviel Charme und Herzlichkeit. We are so thankful!
Breakfast at Kostas and his good fairy
Breakfast at Kostas and his good fairy

Thessaloniki, mal ganz anders


Nachdem wir wieder einmal vergebens nach der auf maps.me eingezeichneten Herberge suchten, erhielten  wir von einer Passantin den Tipp für ein anderes, in der Nähe liegendes Hotel.
Wir fuhren durch die  Industriezone von Thessaloniki, an Mülldeponien vorbei (sowas wie grasüberwachsene Hügel mit allerlei bunten Materialien die wohl nie  verrotten werden). Jedes dritte Fabrikgebäude welches an uns vorüberzog, war heruntergekommen und bis auf die Betonmauern ausgeschlachtet, ob das die  Spuren der Krise sind?

Mittendrin in dieser traurigen Einöde tummelten sich Streuner auf der Suche nach Futter und plötzlich stand da ein modernes, schickes Hotel. Wie aus einer anderen Welt, sowas skurriles!


Wir erlaubten uns, die Rezeptionistin zu fragen, ob wir unser Zelt im Garten vor dem Hotel aufstellen könnten. -Fragen kostet ja nichts...-
Überraschenderweise klärte sie dies sogleich mit ihrer Managerin ab und letztendlich durften wir in einem Personalzimmer übernachten, zum supergünstigen Preis. Was waren wir happy! Vielen Herzlichen Dank!


Da wir uns wiedermal nicht vorausschauend mit Material fürs Abendessen eingedeckt hatten und uns das nächste Dorf zu weit weg schien (4 km *Schmunzel*), erinnerten wir uns an den Deliveryman, der kurz vor uns das Hotelfoyer betreten hatte... Dank der zuvorkommenden Rezeptionistin hatten wir dann bei ihm Essen bestellen können und schlemmten bald darauf im Aufenthaltsraum des Personals (im Keller des Hotels) Pizza und gefüllte Peperonis.

Abkürzung durch ehemaliges Industriegelände, wird nun zur Bienenzucht genutzt (siehe weisse Boxen durch heranzoomen)
Abkürzung durch ehemaliges Industriegelände, wird nun zur Bienenzucht genutzt (siehe weisse Boxen durch heranzoomen)

Loutra Botamias -auf der Suche nach der Quelle


Wir fahren durch den  Naturpark .....  karges Ackerland und gekämmte Baumwollfelder ziehen an uns vorbei, über uns fliegen Flugscharen von Zugvögeln. An den Seen sehen wir Pelikane, Flamingos, Fischreiher und allerlei Federvieh. Plötzlich entdecken wir ein Strassenschild "Natural hot springs". Natürlich wollen wir uns diesen Plausch nicht entgehen lassen und fahren in die angegebene Richtung. 

Leider finden wir keine weiteren Wegweiser, ein entgegenkommendes Fahrzeug hält an und der Fahrer fragt wo wir hin wollen. "Na zum sesto nero", bemühen wir uns mit unserem griechischen Wortschatz zu sagen. Da sei alles geschlossen meinte er, und weist uns den Weg zurück auf die local road. 

Wir fahren trotzdem durch das kleine Dorf Botamia und finden dann den Weg zu den hot springs. 

Leere Gebäude mit unverschlossenen Öffnungen trotzen dem endgültigen Zerfall, vielleicht waren es einst prächtige Appartements für Badegäste. Ein Brunnen ohne Wasserzulauf steht auf einem Platz, der vermutlich einst Zentrum von  einer herrlich bunten Grünanlage war. Wir entdecken ein Dach und sowas wie ein betoniertes Plantschbecken. Wir rätseln, vielleicht war die heisse Quelle nur im letzten Jahrhundert aktiv.


 Im hinteren Teil des Geländes finden wir zwei gut erhaltene Häuschen mit gelbem Anstrich aus diesem Jahrzehnt. Da sitzt sogar ein lebender Mensch mit dem obligatorischen Nescafe -Nestle verdient sich hier eine goldene Nase- und dreht sich eine Zigarette. Er gibt uns jedoch keine nützlichen Antworten. So ziehen wir weiter...

Seltsamer Anblick: fliegende Flamingos
Seltsamer Anblick: fliegende Flamingos

Paralya Petrota - Land der Kykonier


Nach einer Freecamp Nacht am Strand bei Fanari im Naturschutzgbiet von Xerolimne Demou Aigeirou fuhren wir auf einer alten Strasse gegen Osten. 

Nachdem wir ein Bächlein ohne Brücke überquerten-ohjee, nasse Füsse- hielten wir im Dorf Imeros für einen Greekcoffee. 

Mitten im Raum der Taverne stand ein Holzöfeli und ein Mädchen röstete Marronis auf dem Deckel. Ein Dreijähriger fuhr laut quiekend auf seinem Dreirad seine Runden um die Tische und alte Männer sassen an leeren Tischen und starrten in uns unbekannte Dimensionen. Percy meinte erst, wir seien in einem Wartesaal gelandet, aber wir wurden dann doch noch als Touristen erkannt und bedient. 


Danach ging's auf einer endlosen Holperstrasse weiter zu den archeologischen Ausgrabungen von Imeros und dem alten Theater. Über einen Hügel schlängelte sich der Weg an Olivenbäumen vorbei hoch hinauf in die Luft zu wunderlichen Felsformationen. 

Wenn Steine Geschichten erzählen würden, diese hätten vermutlich wunderliches zu berichten, angesichts ihrer Farben und Formen. Glücklicherweise erwischte mich niemand beim schamlosen Gaffen :).
Ich musste aber leider feststellen, dass meine treue, alte Canonkamera schwächelt und die Bilder der Welt nicht mehr aufnehmen mag... -seufz-


Wir erreichten komplett durchgeschüttelt den Strand Petrota, eigentlich Land der Kikonen, wie wir später erfahren durften.
Wir sahen einen Platz mit grüner Wiese, weit geöffneten Toren,  2 Wohnwagen und WC-Häuschen und waren leicht erstaunt, dass hier wo nichts war ausser Sand, Meer und Fels, ein Campingplatz offen ist. 

Wir hörten Musik aus einem alten Radio zu uns dringen und ein Feuerchen brannte. Bald kam auch schon ein Mann mit Hut, ach ja der hatte uns gerade eben am Strand noch gegrüsst.

Er, Aris, kam herzlich winkend zu uns herüber, wir seien willkommen, sollten uns setzen, ob wir Kaffee trinken wollten, später gäbe es Fisch vom Grill. Etwas überrumpelt wollten wir erst wissen, ob wir unser Zelt aufstellen könnten. "No problem!Free Camping!" hiess es. Na denn, so tranken wir Kaffee und dann kam Christos the fisherman.
Auch er begrüsste uns herzlich, hiess uns willkommen in seinem Reich, wir seien seine Gäste, schlafen könnten wir da im kleinen Blechhäusle, zu Essen hätte er genug... -da er 8 Jahre in Deutschland gearbeitete hatte sprach er etwas Deutsch-.
Total entsetzt, dass wir Vegetarier sind und auch noch keinen Fisch essen, war es für ihn eine beträchtliche Herausforderung, wie er uns bewirten sollte. Wir einigten uns auf Spaghetti mit Tomatensauce (Tomaten frisch aus dem Garten). Huii und dann gings rund! Mit griechischem Wein und Tsipouro (Traubendestillat), lauschten wir der Lebensgeschichte vom einundachtzigjährigen Christos und staunten über sein schwungvolles Temperament.
Am nächsten Morgen waren die beiden Herren bereits in der Früh auf dem Meer um ihre Fischernetze auszuwerfen. Sie kamen mit stolzem Fang zurück und wollten uns zum gegrillten Fisch einladen...

Nach dem Frühstück, Butterbrot mit Honig, wobei die Butter Fingerdick aufgetragen werden musste, halfen wir noch bei der Traubenlese mit, denn sie wollten selber Wein machen. 

Dann verabschiedeten wir uns und Cécile erhielt das Versprechen, 500 qm2 Land am Meer geschenkt zu bekommen, wenn sie ihrem erstgeborenen Sohn den Namen Poseidon gäbe :)

Zu Gast bei Christos und Aris
Zu Gast bei Christos und Aris

Wir fuhren auf holprigen Schotterstrassen weiter, wurden wieder ordentlich durchgeschüttelt, waren jedoch emotional äußerst gerührt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Oliver (Dienstag, 14 November 2017 22:02)

    Wow dann seid ihr in der Türkei! Werd ganz wehmütig wenn ich ans Radreisen denke, bin am 28.10. von Thessaloniki nach Köln zurückgeflogen. Aber nächste Woche gehts nach Tenerife und El Hierro... Bonne route und lasst euch nicht von Wölfen fressen!

  • #2

    Mom Eva (Dienstag, 14 November 2017 22:17)

    Liebe Cecile, lieber Percy-John
    Eure Berichte lesen wir wie ein spannendes Abenteuer. Die wunderschönen Fotos, das schöne Städtchen am blauen Meer, der Fischer mit seinem Fang und die Triboltinger Badi. So geil!
    Hoffentlich könnt ihr eure Fotokamera wieder reparieren.
    Auch wir sind wieder zurück von unserer 8-Länder Donaufahrt. Ein super Schiff (nur mit 120 Passagieren) und wir dachten immer an euch und würden euch unsere Kabine gegen eure Velos tauschen. Und das Schlemmen auch viel vegetarisch wäre für euch....
    Und wir sind, auch fast wie ihr, 4'000 km von Passau, Wien, Budapest, Bukarest, Belgrad bis zum schwarzen Meer die Geschichte und Kultur geniessen.
    Und Hans hat sogar aufs Dinner verzichtet, weil er TV schauen musste, ob es die Schweiz an die Fussball WM-schafft. Es hat geklappt, so hat er ganz glücklich seinen Geburi auf dem Schiff gefeiert.
    Und er hat sich sehr über eure Wünsche gefreut. Danke.
    Den Italienern hat es für die WM nicht gereicht. Oh, mamma mia, nach 60 Jahren , so ein Unglück...
    Jetzt spielt gerade Federer, Nr. 2 gegen Swerev Nr. 3 und Nadal Nr. 1 ist schon ausgeschieden.

    Für alle eure Tage wünschen wir euch gute Gesundheit und freuen uns schon auf eure tollen Berichte.
    Mam vas rada.
    Vase Mamicka