Freaky Friday

Aruz and Arif ;) the great helpers
Aruz and Arif ;) the great helpers

A long day with troubles and happy end


Wir wollten eigentlich früh aufstehen, damit wir für die lange Etappe von Semizkum bis zum Zeltplatz Keylos am schwarzen Meer, ausreichend Tageslicht haben.


Doch sogar der Frühaufsteher Percy war noch bei Sonnenaufgang im Tiefschlaf und so krochen wir erst um 9 Uhr morgens aus dem Zelt. Nach einem kleinen Frühstück sassen wir dann endlich im Sattel und rollten auf kleinen, etwas weniger befahrenen Strassen übers Land. 


Und wieder wurden wir durch freundliches Hupen von Autofahrern angefeuert und begegneten des Öfteren freudigen Daumenhoch-Zeichen. 

Ein Bauer stieg sogar von seinem Truck und gab uns Bonbons, tauschte ein paar Worte auf Englisch (in dieser Gegend bisher selten angetroffen) und fuhr dann weiter.


Wir rollten durch kleine, einfache Dörfer, auf lehmigen und sandigen Schotterpisten, an Strassen-Bauern vorbei, die dabei waren den Randstein zu setzen. 

Die Strassenschilder waren nur spärlich vorhanden, doch die Menschen halfen uns stets die richtige Richtung zu finden. Nach einem kurzen Imbiss auf einer der zahlreich angelegten Piknickanlagen, kamen wir wieder auf eine mainroad und rauschten über Berg und Tal nach Arnavutköy. 

Es war bereits später Nachmittag und unsere Muskeln schon ziemlich müde. Wir liebäugelten bereits mit der Suche nach einer Unterkunft, doch letztendlich zogen wir weiter, -da nichts zu finden war- mit der Aussicht, den angepeilten Zeltplatz in der Dunkelheit zu erreichen. Damit brachen wir unser bisheriges Credo, nicht bei Nacht zu fahren, weil es uns zu gefährlich erschien.


Ausgerüstet mit bunten Scheinwerferchen und Leuchtweste fuhren wir dann auf der mainroad, zwischen tausenden riesigen Lastern dahin, wo ganz viel Sand gebraucht wurde. Denn zwischen unserem Ziel und unserem Standort befanden sich nicht nur riesige Autobahnkreuzungen sondern auch zahlreiche Strassenbaustellen. 


Da es uns dann zuviel Verkehr auf der mainroad hatte, suchten wir auf Nebenstrassen einen Weg auf die nächste Verbindungsstrasse, dabei galt es einen riesigen Verkehrsknotenpunkt zu umfahren. 


Entlang der Strasse sahen wir handgezimmerte Buden, sowas wie Lastwagengaragen. Es loderten kleine Feuerchen, an denen finstere Gestalten vermutlich ihr Abendessen brieten, unzählige Hunde tümmelten sich herum, manche umzingelten schmatzend einen riesigen Fleischberg, andere rannten uns kläffend nach. 

Es schauderte uns angesichts der Bilder und es war uns nicht ganz wohl in unsrer Haut. In Percy's Kopf spielten sich bereits Horrorfilme ab, in denen wir ungünstige Hauptrollen spielten.


Leider fanden wir die in Maps.me eingezeichnete Zufahrt auf unsere Zielstrasse nicht, bzw. war es nur eine Spur an die Leitplanke der Autobahn. Wir tappten wortwörtlich im Dunkeln. 


Letztendlich fuhren wir auf einer schlammigsandigen Schotterpiste, auf der die Lastwagen den Kies und Sand zu den Baustellen fuhren.

Das war wohl bisher unsere ungemütlichste Fahrt! 


Nach einer der zahlreichen Bodendellen schepperte es plötzlich. Der Reissverschluss von Céciles Lenkertasche war nicht ganz geschlossen und ihre neue Errungenschaft lag am Boden. Doch welch Glück! 

Das Handy war noch heil, sie wagte es kaum zu glauben.

Rasch fuhren wir weiter, denn die Laster kamen uns immer wieder ungemütlich nahe. Irgendwann wurd's ruhiger, die Strasse besser und wir rollten zwischen hohem Gebüsch.


Endlich trafen wir in Göktürk ein, farbenfrohe Lichter lockten uns in ein Café bei einem Picnic-Areal. Es war uns klar, dass wir hier eine Übernachtungsgelegenheit brauchten, denn wir waren todmüde, unsere Augen brannten vom Staub, die Lungen röchelten infolge der Abgase und eingeatmeten Staubschwaden und Cécile hatte bereits wieder Kopfschmerzen.

Wir hofften, dort unser Zelt aufschlagen zu können, wobei der Gedanken an eine heisse Dusche uns schon mit grosser Sehnsucht erfüllte.

Es war leider nicht möglich mit den Arealleuten etwas auszuhandeln, man versprach uns Hotels im Zentrum.


Gemäss Maps.me waren da zwei Hotels, bei Googlemaps noch ein weiteres, nun gut, aufgings, es war 20.00 Uhr und wir bereit auch etwas tiefer in die Geldbörse zu greifen. 


Als wir ins Dorf fuhren staunten wir nicht schlecht, vor uns erstreckte sich eine lustig leuchtende Strasse. Eine Luxusresidence folgte der anderen, Starbucks, Columbia und Addidas Leuchttafeln hingen über riesigen modernen Glasgebäuden. Vor stylischen Lounges flackerten Feuersäulen. Glänzend teure Autos fuhren an uns vorbei, schicke Leute waren am flanieren. Neben den Trottoirs waren jeweils quadratische Häuschen aufgestellt, mit je einem oder zwei "Bewachern" drin,  die Torwärter vor den Wohnappartements.  Deftige Leuchtlettern verkündeten was sich jeweils hinter den Mauern verbarg. Sowas wie "green paradise garden" oder "golden residence" ...

Was für ein Wechselbad der Gefühle! Erst noch fuhren wir durch armselige Dörfchen und schämten uns unseres Privilegs wegen und nun gut eingestaubt, fühlten wir uns doch etwas schäbig.


Beim Gezim Guesthouse schickte man uns weiter, hier könne man nur für längere Zeit Räumlichkeiten mieten, so wurden wir via Telefon von einem hiesiegen Gast informiert, da die Securitys kein Englisch konnten.


So erklommen wir anschliessend noch während 3km einen hohen Hügel, um ins Country Club Hotel zu kommen. Als wir da an den luxuriösen Villen vorbei fuhren, dämmerte es allmählich in Céciles Kopf: Der Preis für das angepeilte Hotel wird nicht in unserem Budget liegen. 

Wir passierten eine Strassenschleuse mit Security, bei der Zweiten erlaubten wir uns mal nachzufragen, ob sich der Kampf mit den Höhenmeter überhaupt lohnt.

Soviel wir über Handzeichen und unserem türkischen Wortschatz verstanden, lag der Preis bei 1100 Dollar die Nacht...


So gings dann wieder Bergrunter...im nächsten "Börekbufet" fanden wir ein nett ausschauendes Päärchen und fragten es um Rat. Sogleich wurden wir zum Chaj und Börek eingeladen. -unsere erste richtig handfeste Mahlzeit an diesem Tag-

Leider war auch hier die Verständigung anhand von Zeichensprache,  englisch, deutsch und türkisch, etwas eingeschränkt.


Die beiden begannen sofort herum zu telefonieren um uns eine Schlafgelegenheit zu organisieren. 

Eine Stunde später mussten sie mit Bedauern aufgeben. Ein Taxifahrer, der uns gelegentlich als Dolmetscher beiseite stand, riet uns zu einem kleinen öffentlichen Park, es sei sicher und kein Problem dort zu schlafen.

Aruz und Arif, unsere fürsorglichen Helfer, begleiteten uns noch bis zum Park. Nachdem wir sie verabschiedet hatten, rollten wir unsere Mätteli aus,

im hell erleuchteten Basketballkäfig. -Da seien wir geschützt vor den Hunden-

Kaum mit unserem Schlafgemach angefreundet, kam auch schon ein Wärter um das Käfigtor um Punkt 23 Uhr zu schliessen.


Nun gut, so richteten wir uns auf der Parkpank ein, dachten wir zumindest. 

Doch plötzlich wurde Cécile nervös, ihr Kreditkartenetui war verschwunden.


Sie war überzeugt, dass dieses mit dem Handy aus der Lenkertasche gerutscht war. Also machten wir uns wieder auf den Weg zurück, zu der ca. 10 km entfernten Gräuel-Kiesstrasse.


Dort wateten wir im zähen Lehmmantsch, zwischen den riesigen Lastern die uns ungeduldig hupend auf die Seiten jagten. Die Suche war hoffnungslos, es war finster, der Boden so verschlammt, dass vermutlich diese wertvolle Plastikhülle bereits darin versunken war. Oder es hatte sie doch jemand gefunden und freute sich bereits auf sein neues Leben... -Denn neben dem Führerausweis, etwas Bargeld und Bankkarten war da noch die Notiz mit meinen Kredtkartenzugangsdaten, die man ja eigentlich nie beieinander aufbewahrt-


Als wir die Suche beinahe aufgegeben hatten und Cécile mittlerweile ihren Ärger über sich selbst besänftigte und die Vorwürfe -hätte ich doch nur diesen verdammten Reisverschluss zugemacht!, Hätte ich doch einfach kurz kontrolliert, ob noch alles da war, als das Handy rausrutschte! Hätte, hätte, hätte....-, sich selbst überliess, lag es doch tatsächlich vor uns im Matsch. Genau in der Ein- und Ausfahrt zu der riesigen Baustelle, neben grossen Schlammpfützen. 


Wir trauten unseren Augen nicht, die Karten waren unversehrt, das Bargeld noch drin, was für ein riesen Glück! 

-Was für ein Schutzengel begleitet mich wohl? Wie kann soviel Dummheit dann doch belohnt weden? Womit hab ich das wohl verdient?...-


Überglücklich und völlig verschlammt fuhren wir zurück zum Park und gönnten uns um 1 Uhr morgens noch Chips und Cola und feierten unseren Rekord: wir waren an diesem einen Tag 133,33 km gefahren und sassen während neun Stunden im Sattel.


Während dann Percy noch misstrauisch Wache hielt, lag Cécile bereits warm eingekuschelt im Schlafsack und schlief zufrieden schnarchelnd. Irgendwann war auch Percy eingedöst... doch kurz vor 6 Uhr war er bereits wieder wach. Um die reichen Leute nicht zu erschrecken, machten wir uns wieder auf den Weg zum Zeltplatz am schwarzen Meer. 


Es war noch immer finster und die Cafés noch längst nicht geöffnet. Bei der ersten Gelegenheit machten wir Halt bei einer Tankstelle, knabberten Sesamriegel, erhielten Chaj in Plastikbecher spendiert und liessen unsere vor Schmutz einzementierten Räder mit dem Hochdruckreiniger waschen.


Dann, mit der Sonne, öffnete sich der blaue Himmel, die Vögel jubilierten und wir fuhren auf einer unbefahrenen Strasse über sanfte Hügel durch goldschimmernde Laubwälder. 

Was für ein herrlicher Herbsttag!


Dann führte die Strasse an einem Parkplatz mit weitläufigem Picnic-Areal vorbei und wir konnten in einer gemütlich warmen Gaststätte türkischen Kaffee trinken und dem geschäftigen Betrieb zuschauen.


Während einige Leute bereits ausgiebig frühstückten und Zeitung lasen, waren Andere dabei, fein sportlich bekleidet, zu

biken und zu hiken.

Wir befanden uns mitten im Istanbuler Naherholungsgebiet.


Dann endlich, am frühen Nachmittag, waren wir in Kylios an der Küste angekommen. 

Nur leider war der Zeltplatz geschlossen.

Mangels anderer Alternativen schenkten wir uns dann eine Nacht im Hotel und dankten mit Ehrerbietung, unter der heissen Dusche, dieser wunderbaren Erfindung und dieser fantastischen Welt.


At Kilyos on the black sea
At Kilyos on the black sea

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Kommentare: 1
  • #1

    Eva Mam (Sonntag, 19 November 2017 21:53)

    Meine Lieben
    Das war ein spannender Krimi....
    Liebe Grüsse
    Eva Mama