Übers Warten und andere grossartige Kleinigkeiten

Flussmündung bei Ağva
Flussmündung bei Ağva

Letzten Montagmorgen standen wir um 10.00 Uhr voller Vorfreude abfahrbereit vor unserem "Bungalöli". Wir hatten wunderbare  Aussichten: Am Abend würden wir bei einer Familie in Kandıra übernachten können, die Route dorthin war klar, wir waren top motiviert und warteten nur noch auf das Eintreffen der Postcard, dann endlich würd's wieder weitergehen können...


Es folgten lange Wartestunden. Gegen Mittag zogen grauen Wolken auf, brachten viel  Regen und kalten Wind. 

Um 14.30h (Deadline für die Abfahrt) war klar, kein Kurrier, keine Postcard, keine Weiterfahrt.


Wir -insbesondere ich- übten uns in Geduld. 


Wieder bezogen wir das "Gruselkabinettchen" auf dem Campingplatz und die Gastfamilie in Kandıra meldete uns, dass sie auch morgen auf uns warten würde. Phu, welch Glück!


Am nächsten Morgen kam der Pöstler, doch der hatte leider keinen Brief für mich... Bei der Postfinancehotline wusste man nichts Neues und bat uns um etwas Geduld. Dann kam unsere Campingdame mit einer E-Mail vom TNT-Kurrierservice, mit der Info, dass der Brief nicht zustellbar sei, bzw. die Lieferadresse für den Kurrier nicht erreichbar sei.  -so än Seich!-

Wir sollten den Brief in Istanbul, im Bezirk Cekmeköy (über 100 km entfernt) abholen, hiess es weiter in der Nachricht.


Wie man uns dann auf dem Campingplatz aufklärte, würde die Taxifahrt dorthin jedoch  sehr teuer und die Busfahrt lange und kompliziert werden. So hatten wir unsere Idee, das Paket dort "schnell" abzuholen, wieder fallengelassen und fanden eine bessere Lösung:


Nach telefonischer Vereinbarung mit dem Kurrierservice TNT wurde yurticikargo von TNT beauftragt, den Brief am nächsten Tag ins Motel Yasmin in Ağva zu bringen. Diese Adresse sei für diesen Kurrierdienst dann erreichbar.


So quartierten wir uns also 4km östlich vom Campingplatz im günstigen Motel Yasmin ein. Oh, wie waren wir glücklich über saubere Betten, Heisswasserdusche und wie froh, den Krabbelviechern aus dem "Bungalöli" vom Campingplatz endlich entkommen zu sein, denn das hölzerne Dach des kleinen Häuschen war undicht gewesen, bei Regen tropfte das Nass von der Decke und gelegentlich fielen auch Kellerasseln und andere Insektentierchen auf unsere Köpfe...


Mrs. Mägerli (schwarze Hündin), unser treues Vierbeinerchen, liessen wir bei der Abfahrt schweren Herzens zurück. -Sie schlief jeweils auf dem Teppich vor dem Bungalow oder unter dem kleinen "Bungalöli" und begleitete oft unsere Spaziergänge.-


Nun denn, am Mittwochmorgen waren wir immer noch topmotiviert und schon abfahrbereit, denn unsere Gastfamilie würde uns ja am Abend in Kandıra empfangen. So sassen wir also wiederum wartend da, diesmal in der unbeheizten Motellobby. 

-Wir trauten uns nicht wegzugehen, da ja jederzeit der Kurrier hätte kommen können, dessen Lieferung ich persönlich quittieren sollte -


Am späten Nachmittag war jedoch immer noch kein Kurrierservice in Sicht und die Weiterfahrt daher also wieder gestrichen.


Jegliche Versuche, irgendwie mit dem yurticikargo in Kontakt zu kommen oder irgendwelche Informationen zu erhalten, scheiterten. Entweder wurde die Telephonleitung unterbrochen, oder am anderen Ende der Leitung lief nur ein türkisch sprechendes Band ab. 


Glücklicherweise war da noch Kerim von TNT, mit dem ich per Mail die Situation zumindest "beschreiben" konnte. Doch auch er wusste nichts über die Sendung und deren Verbleib. -seufz-


Tja, so warteten wir hoffnungsvoll am Donnerstag in der unbeheizten Hotellobby und wussten nicht mehr recht was tun...

Der nette Herr vom Motel hatte uns angeboten, uns für etwas Geld nach Cekmeköy zu fahren. Doch was wäre, wenn genau in dieser Zeit der Brief ausgeliefert werden würde? Würde man uns dort in Cekmeköy den Brief überhaupt aushändigen können, sofern er tatsächlich da war?

Wir entschieden uns für's untätige Warten.


Inzwischen hatte Percy dann eine yurticikargo-App gefunden, mit der er die Sendung nachverfolgen konnte. Zuerst mussten wir uns natürlich auch durch die türkischen Worte pflügen.... doch dann hatten wir ein paar Anhaltspunkte, die uns aber auch nicht schlauer machten... "Es wartet beim Depot..." hiess es in der App.


Am Nachmittag meldete sich dann Kerim von TNT. Er hätte mit den Managern Kontakt und bemühe sich das Problem bald zu lösen. 


Nun gut,  da blieb unsere Hoffnung erhalten, dass die Sendung am Freitag noch eintreffen würde...


Im Dorf Ağva fand sich so leicht niemand mit ausreichenden Englischkenntnissen, der als Übersetzer in dieser Sache hätte fungieren können... wir standen mit gebundenen Händen da... -

ich fühlte mich sowas von hilflos- 


Den Freitagabend verbrachten wir grübelnd mit der Frage, was wir in dieser Sache Sinnvolles tun könnten. Diese verflixten "richtigen" Entscheidungen... weder Verstand noch Bauchgefühl halfen uns gerade weiter...

Am Samstagmorgen entschieden wir uns dann spontan, mit dem Bus einen Ausflug zum Depot des yurticicargo nach Cekmeköy zu riskieren, Lieferung hin oder her.


Es stellte sich während der Fahrt heraus, dass der Bus nach ca. zwei Stunden Fahrzeit (inkl. Pause) direkt vor dem Depot des Kurriers halten würde. Sogar die Busticketverkäuferin hatte uns vorher etwas anderes erzählt. Von wegen kompliziert!!! Tja, hätten wir das doch früher gewusst!


Im Bus nach Cekmeköy trafen wir eine nette Pensionierte, welche gerne ihre Deutschkenntnisse auspackte. In der Fahrpause lud sie uns zum Tee ein und wir lauschten ihrer Lebensgeschichte. Dank ihr wusste dann auch der Busfahrer Bescheid, wo er anhalten sollte um uns rauszulassen.


Dann endlich war es soweit, wir standen vor dem mysteriösen yurticikargo Depot, das telefonisch von niemandem erreichbar gewesen war. 


Der Anblick der vor dem Gebäude herumliegenden Kartons und Pakete lösten in uns leichtes Entsetzen aus, sodass sich unsere Phantasie in allerlei bunten Horrorszenarien austobte. Der Brief musste zumindest irgendwo im Gewühl des Chaos's untergegangen sein!


Wir betraten das Gebäude und fanden im Chaos der Pakete tatsächlich einen Tresen mit zwei Frauen dahinter. 

Nach dem Vorweisen meiner Sendungsnummer kam bald darauf eine Dame mit einem grossen gelben Couvert, auf dem in dicken Lettern URGENT stand, aus dem "Lagerraum" zurück...


Unglaublich! Vor Freude rutschte mir sprichwörtlich das Herz in die Hose und wir jubilierten. 


Wir verzichteten auf das Nachfragen, warum das Couvert nicht geliefert wurde, man hätte uns sowieso nicht verstanden. ;)

İnshalla!
İnshalla!

Am Sonntag gönnten wir uns dann einen richtigen Relaxtag im warmen Motelzimmer in Ağva während draussen ein Sturm tobte. 


Erwähnenswert ist noch unser Besuch am Abend im Internet Cafe: Während Percy am Computer seine Finanzen checkte, sass ich einer pensionierten, türkischen und überaus fröhlichen Lehrerin gegenüber, die mir freudestrahlend ein Lied eines blinden, türkischen Sängers vorsang. 

Die Begegnung war voller gegenseitigem Entzücken, -heimlich zerdrückte ich ne Träne im Auge... ob ich dann im Alter wohl auch so schrullig werde?-


On the road again :)
On the road again :)

Heya! 

We are back on the road again!


Heute Morgen sind wir nun endlich wieder weitergezogen. 

In den Pfützen an den Strassenrändern waren dünne Eisplättchen zu sehen und unsere Finger an den Lenkerstangen wären vor Kälte beinahe erfroren.

Doch die Morgensonne liess die Welt wieder golden glitzern und wärmte uns so gut, dass wir bald schweisstriefend die sanften grünen Hügel hinauf weiterkeuchten. Ächzend strampelten wir an dürren Buchenwäldern vorbei und entlang  der berüchtigten Haselnussplantagen.


Für die zwei Wochen "plämperle" müssen wir jetzt wieder "teueres Schmerzensgeld" bezahlen, der inzwischen gut gediehene Winterspeck bestraft uns gnadenlos. ;)


In Kandıra beim Çaj gesellte sich ein junger Mann an unseren Tisch, -er hatte als Barber in London gearbeitet und lebt seit einigen Jahren wieder in der Heimat- und so konnten wir wiedermal fliessendes Englisch hören, plaudern und Wissenswertes erfahren. 

Nachdem er sich verabschiedet hatte, und wir zahlen wollten, waren wir dann völlig überrumpelt und fasziniert von dieser grossen Gastfreundschaft - er hatte die Rechnung schon beglichen. Unglaublich!


Verständlicherweise konnte die Gastfamilie aus Kandıra nicht länger auf uns warten. So sind wir nun in der einzigen Unterkunftsmöglichkeit in Kaynarca, einer Mischung zwischen Hotel und Internat, untergekommen.


Hundemüde aber zufrieden legen wir uns wiedereinmal früh ins kuschlige Federbett und freuen uns auf's Neue unterwegs sein zu dürfen.


Abendspaziergang mit Mr. Bärlidog
Abendspaziergang mit Mr. Bärlidog

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