Turkmenistan

Wir sitzen im Zug nach Turkmenabat,  draussen brutzelt die Sonne bei ca 40° Grad.
Noch erheben sich am Horizont gegen Westen karge Bergkämme. Der Zug schüttelt uns durch die karge Ebene. Winzige Sträucher schimmern in mattem Grün, sonst blicken wir auf eintöniges Braun in seinen unterschiedlichen Facetten von Ockerbraun zu Crème und Caramel bis hin zu Fuchs- und Bärenbraun.

Ja, ihr könnt gut schmunzeln!
Für Percy war klar dass wir die 600 km durch Turkmenistan nicht in fünf Tagen mit den Rädern fahren können. Ich wäre natürlich gerne zumindest eine kurze Strecke gefahren,  doch ich muss gestehen, auch ich bin unglaublich bequem geworden.

Angesichts der Temperaturen, unserem Sonnenbrand -trotz russischer Sonnencreme mit Schutzfaktor 100- und unsern Schwielen am Hintern, hielten wir es nur für vernünftig uns mit dem Nachtzug nach Turkmenabat kutschieren zu lassen. Natürlich wollten wir uns auch die Hauptstadt Ashgabat nicht entgehen  lassen, für diese wär sonst keine Zeit geblieben.

So reisen wir aktuell komfortabel in einem 4er Kabinett mit netten Leuten, auf Schlafpritschen und viel zu kalter Aircondition.


Unser letzter Tag im Iran

Am 1. Juni sind wir tatsächlich mit mehr oder weniger unkompliziertem Prozedere über die Grenze gelassen worden.

In Quchan konnten wir noch bei einem Supermarktbesitzer zu einem guten Kurs unsere restlichen Rial in Manat umtauschen. Er gab uns aber zu verstehen, dass wenn er erwischt wird, ihn 'ne saftige Busse erwarten würde. Glücklicherweise klappte alles wunderbar: Wir warteten 10 Minuten bei seinem Ladeneingang, während er mit einem Roller zur Bank fuhr, um das Geld zu holen.

Dann am nächsten Morgen fand sich ziemlich unkompliziert ein Fahrer mit Pickup, der uns für umgerechnet zwanzig Franken die achtzig km nach Bajgiran, in das Dorf an der Grenze fuhr.

Die Räder wurden unter reichlich Publikum aufgeladen. Wir waren wohl das Highlight des Tages, zwei verrückte Touristen die auch noch mit ein paar Brocken Farsi um sich warfen.
Kaum hatten wir uns in der Kabine auf dem einzigen Beifahrersitz zusammengequetscht, da fiel von einem der braungebrannten Zuschauer das Wort "Polizist".
Das schien unseren Fahrer nicht aus der Ruhe zu bringen, er fuhr trotzdem los,  stoppte jedoch wenige Meter später und stieg aus, um mit einem anderen Typen bei einer Bushaltestelle zu quatschen.
Nach fünf Minuten kam er wieder und es ging weiter.
Doch wiederum hielt er wenige Minuten später und bedeutete mir in das Auto vor uns zu steigen. Da sass der Typ am Steuer mit dem er eben noch gequatscht hatte. Anscheinend sollte ich da nur 'ne Weile mitfahren.

Huiui... Percy und ich waren plötzlich unglaublich misstrauisch und tauschten kritische Blicke. Wir hatten keine Möglichkeit via Telefon in Verbindung zu treten falls 'was schief gehen würde. Gleichzeitig war es unser Credo, uns bei solchen Angelegenheiten nicht zu trennen. Wiedermal 'ne schwierige Entscheidung...
Na gut das Bauchgefühl war ganz oke und als ich sah, dass noch 'ne ältere Frau mit Chador im Wagen des Anderen sass, setzte ich mich dazu.

Mein Taxi fuhr dann blitzschnell über die hundert Hügel davon und Percy im Pickup ward nicht mehr gesehen. Mir kam nichts besseres in den Sinn als die Frau anzulächeln und meine Farsisätzli runterzuspulen. Immerhin merkte ich mir die Emergency Rufnummer, man weiss ja nie so recht...

Die Landschaft war prächtig, riesige   Mohnblumenfelder zogen vorbei und blühten in saftigem Rot, im Hintergrund die kargen braunbuckligen Riesen.

Irgendwo in einem kleinen Kaff im Nirgendwo hielt der Wagen dann und bald war auch schon Percy mit dem Pickup da. Welch Freude!

Die Fahrt ging wieder gemeinsam weiter und wir nun auf einen Sitz gepresst.

In Bajgiran verbrachten wir dann den Nachmittag im Schatten eines Picknick-Häuschens, in dem wir auch übernachten wollten.
Wir brachten unsere Räder wieder auf Vordermann, Cécile's Stahlpferdchen wurde mit der geschenkten Klingel von Aresh geschmückt und die Satteltaschen wurden repariert, während Percy versuchte, sein Chaos in seinen Packtaschen zu bändigen.

Meeting Köllner VW-Busreisende
Meeting Köllner VW-Busreisende

Etwas später, das  Linsensüppchen war just fertig gekocht, da fuhr ein VW-Bus mit deutschem Kennzeichen heran.

Na was für ne Freude!
Ein sympathisches Päärchen entstieg dem Bus und schnell war der "Tisch" mit vielen Leckereien gedeckt und wir sassen bei netter Gesellschaft und unterhaltsamen Reisegeschichten.

-Steffi und Dominik aus Köln sind seit drei Monaten mit ihrem selbst umgebauten "Heim" unterwegs und werden ebenfalls über den Pamir fahren.-

Weil es so schön war sich wiedermal ganz einfach zu verständigen,  ohne bei jedem Satz nach Worten zu ringen, frühstückten wir noch gemeinsam und Percy kam endlich wiedermal zu einem richtigen Morgenkaffee. Herzlichen Dank Dominik!


Leicht aufgeregt fuhren wir dann noch die 4 km den Hügel hoch zur Grenze.

In der Steigung nach der ersten Passkontrolle  passierte es dann, Percy's Kette brach entzwei. So ne sch... wir wollten noch vor der Mittagspause durch die turkmenischen Pforten,  doch nun mussten wir erstmal reparieren.

Aber Glück im Unglück, es war nur der Stutzen rausgerutscht, nach wenigen Handgriffen war die Kette wieder heil gemacht. Percy wollte losfahren, doch da krachte es erneut, er schlidderte vom Rad und das Rad fiel um.
Ach herrjee... die Kette war nicht korrekt um den Wechsler gelegt worden...na gut, nach dem zweiten Mal war's dann wirklich gut und wir erreichten endlich den Zoll.

Die Iraner hatten ja Sonntag (Jome) und die Beamten arbeiteten in Zivil. Wir mussten zehn Minuten auf den Polizisten warten der unsere Pässe stempeln konnte, dann entliessen sie uns freundlich.

Als wir die Passengershall der Turkmenen betraten, mussten wir erneut warten. Es war 11.30 Uhr und den Handgesten der anderen Wartenden zu Folge, waren die Beamten noch beim Mittagessen.

Irgendwann klingelte ein Militärmann an der Glocke über 'ner weissen Tür und gab uns zu verstehen, hier müsse man zahlen.

Nach einer Ewigkeit kam dann 'ne Dame, bei dieser mussten wir irgendwelche Service-Gebühren zahlen, seltsamerweise in Dollar.

-so nebenbei erwähnt: Später mussten wir feststellen, dass die Dollarscheine, welche sie uns zurückgab, viel zu alt waren und von den Hotels in Turkmenistan nicht akzeptiert wurden. Sowas Doofes!
Die Hotels im Übrigen konnten auch nicht in Manat bezahlt werden, es mussten aktuelle Dollarscheine sein. So än Chabis! Zu unserer Überraschung galt für uns dann auch noch der Touristenpreis, wir zahlten über das Siebenfache für ein schrumpliges, altes und stinkiges Zimmerchen... es war eines der günstigen Hotels hiess es...
 Aber das Zelt konnten wir echt nicht in dieser Stadt aufstellen!-

Jedenfalls, während wir auf die Beamten warteten, trudelten auch Steffi und Dominik ein.
Ne halbe Stunde später ging's dann weiter, unsere Pässe wurden gestempelt, das Gepäck durch den X-Ray gescannt und die Pässe erneut 5 mal durchgeblättert. Ob wir Gold, Drogen oder Waffen dabei hätten?
Nachdem wir unsere Apotheke gezeigt hatten, mussten wir anschliessend mit den Stahlpferdchen in einen Bus steigen.

Erst fuhr der Bus rückwärts  den Berg hoch. Seltsam. Hinter grossen Toren eines Gebäudes standen viele Menschen und zwei Polizisten liessen sie kontrolliert hinaus und in den Bus.

Anmutige Frauen stiegen ein, sie trugen bunte lange Kleider, welche sich elegant um die Körper schmiegten und ihre Köpfe waren drapiert mit knallbuntem Tuch, welches kunstvoll gewickelt war. Dies verlieh den Frauen ein ausgesprochen edles Erscheinungsbild.

Etwas scheu aber doch neugierig fragten manche nach unseren Rädern.  Percy packte seine russischen Wörtli aus und mit Hand und Fuss tasteten wir uns in die neue Landessprache vor.

Eine Dame schenkte mir noch ein winziges Koranheftchen, als Schutz oder Glücksbringer wacht es nun in meiner Lenkertasche über uns.

Kurz vor der Stadt liess man uns bei einem Checkpoint die Fahrräder ausladen und wir rollten bei atemraubender Hitze in die skurile weisse Stadt Aşgabat.


Auf glatter Strasse vom feinsten rollten wir an prächtigen weissen Marmorgebäuden vorbei. Die Strasse war beinahe menschenleer und autofrei. In den prächtigen Parks wimmelte es von putzenden Frauen, es wurden Marmorplatten von Hand poliert, staub gewischt und ein Mann zählte die Tuja-Büsche. Riesige Springbrunnen protzten mit Wassergontainen,  alles blitzte und funkelte in reinem Weiss und Gold, edle Statuen reihten sich majestätisch auf. Was für ein bizarres Bild!  Wir fuhren bis zum Bahnhof, immer wieder hingen Bilder des Präsidenten an den Gebäuden, mal mit 2 Hundewelpen im Arm, mal in chickem Blazer... alles in ordentlicher Formation, Baum für Baum, Haus für Haus. Sowas hatten wir noch nie gesehen. Es ist unbeschreiblich, fast schon fantastisch! Wir fahren durch eine Hauptstadt, nachmittags  um 16.00 Uhr und es hat kaum Verkehr. Blitzblanke und gute Autos fahren an uns vorbei.

Wir staunen. Natürlich gibt's das Guesthouse das wir suchen nicht und das Handy findet kein Signal für gar nichts. Die Hotelpreise sind erstaunlich hoch. Wir müssen in Dollars zahlen da wir keine Turkmenen sind... wir bzw. ich bin schockiert!
Im günstigsten Hotel quartieren wir uns ein bevor ein Unwetter uns durchnässt.

Am Abend besuchen wir unsere neuen Freunde und stossen mit Bierchen auf den erfolgreichen "Übertritt" an.
Nach über zwei Monaten Abstinenz schmeckt sogar das turkmenische Bier ausgezeichnet.

Am nächsten Tag machten wir uns gemeinsam auf Erkundungstour und suchten erfolglos nach sowas Ähnlichem wie einem Zentrum oder 'ner Altstadt. Alles ist riesig und man läuft riesige Distanzen von einem Ort zum anderen.

Steffi ind Dominik wurden von einem Hotelpagen zu einer Citytour eingeladen und da durften wir mit.

Wir liefen durch einen gewaltigen Park, bewacht von Militärs, gepflegt von dutzenden von Angestellten. Sonst war der Park aber menschenleer. Was für eine seltsam gruselige Stimmung!

Regierungsgebäude und Präsidentenpalast türmen sich in gigantischer Pracht. Aber sie dürfen nicht abgelichtet werden und werden streng bewacht. Sobald wir etwas länger stehengeblieben sind um zu staunen, wurden wir mit schriller Trillerpfeife weggewiesen. Unheimlich!

Die meisten Pärke sind leer und glänzen einsam vor sich hin,  auf den Strassen sieht man nur wenige Menschen.

Tja und was für ein Zufall, am Sonntag war die ganze Stadt Autofrei nur für Fahrräder. 


Wir führen jedoch nur zum Bahnhof und kauften Zugtickets nach Turkmenabat.


Erst hiess es wir müssten 4 Tickets bezahlen weil wir soviel Gepäck haben. 


Zwei Stunden vor Abfahrt wurden dann unsere Räder gewogen: Percy's Kutsche mit allem wiegt 55 Kilo, mein Stahlpferdchen und Glumpp 50 Kilo... Wir schlucken schwer,  wie sollen wir das nur die vielen Pamir Pässe hochfahren?


Jedenfalls stutzte die Kontrolleurin, dass wir 4 Tickets vorwiesen und delegierte einem Polizisten, dies am Schalter zu klären.  Dort erhielt Percy ein Bündel Noten zurück,  es war aber nicht die Hälfte des Verkaufspreises wie wir erwartet hatten. Mit gelassener Geste gab Percy zu verstehen, dass dies nicht der Betrag der zwei zuviel bezahlten Tickets sei, dass die Sache für ihn jedoch erledigt sei. Sein Publikum klopfte ihm dann anerkennend auf die Schultern.


Als der Zug eintrudelten hievten wie also unsere Stahlpferdchen in Gepäckwagen und bezogen ein Abteil mit komfortablen Couchetten am anderen Ende des elend langen Zuges.


Im Abteil sass ein junger schweigsamer Soldat und ein interessierter Militäroffizier auf dem Weg  zu seinem Dienst.


Pünktlich um 15 Uhr führen wir los und erreichten Turkmenabat ebenfalls pünktlich um 3.20 Uhr.


Im Halbschlaf erkundeten wir noch die Gegend um denn Bahnhof und trafen auf einen Cafe- Nachtwächter der einst während der UDSSR in Deutschland diente. Wir plauderten auf deutsch und er zeigte uns das Hotel in der Nähe. Doch der dösende Portier wollte uns zu dieser Stunde natürlich noch nicht reinlassen. So setzen wir uns im Museums Park auf die Bank und ich konnte nochmals etwas schlafen während Percy Wache hielt. -wie praktisch-




Turkmenabat Stadtbummel mit Serdar

 

Während wir ziellos durch Turkmenabat liefen, lernten wir Serdar kennen. Er sprach einwandfreies Englisch und nahm sich die Zeit uns ein paar nette Ecken der Stadt zu zeigen. Der Bazar war leider gerade am schliessen -seltsamerweise bereits um 17.00 Uhr-

 So nahm uns Serdar mit aufs Riesenrad und zeigte uns den Stadtpark.

 

Percy wollte dann natürlich unbedingt auf das "Schaukelschiff" und ich ließ mich überschnorren.. herrje! Mir hat's beinahe den Magen umgedreht aber die turkmenische Jugend fand's natürlich hammer geil...

 

Wieder lernten wir ein paar Dinge über dieses kuriose Land...

...Zum Beispiel gilt ab 21.00 Uhr sowas wie eine Ausgangssperre, es ziemt sich nähmlich nicht zu so später Stunde auf der Straße unterwegs zu sein, denn man sollte zu Hause bei der Familie sein...

 

Ins Ausland zu reisen sei auch für sie schwierig, das Volk ist arm und es gibt wenig Möglichkeiten in diesem Land.

 

Für schmutzige Autos in der Stadt gibt's sogar Bussen.

 

Typisch für islamische Familien ist auch hier, der jüngste Sohn hat für die Familie zu sorgen, die Töchter ziehen zum Schwiegersohn und dessen Familie, falls sie verheiratet wir. Je nach dem wie religiös eine Familie ist, werden auch eine "Liebesheirat" bewilligt, doch arrengierte Ehen sind auch noch ganz normal.