West Nepals middle hills- fast wie zu Hause


Chinchu
Chinchu

Erste Impressionen

Wir befinden uns hier gemäß hiesigem Mondkalender im Jahr 2075!
Wer hätte gedacht, dass wir das noch erleben dürfen! :)

- In Nepal soll's ja von ausländischen Touristen wimmeln, doch hier im Westen sind wir "americanos",eine Rarität, und das genießen wir natürlich wiedermal sehr. Obwohl unser Nepali Wortschatz noch immer peinlich "munzig" ist, schlagen wir uns irgendwie durch und ernten stets heiteres Gelächter... besonders wenn wir uns tausendmal mit "Dandiabad" bedanken, was hier absolut unüblich ist. Man könnte uns auch "Lachmacher" nennen...-

Unsere ersten Eindrücke von Nepal sind daher stark geprägt vom einfachen aber harten Farmerleben, wie es in weit abgelegenen Dörfchen hoch in den Bergen und an fruchtbaren Flussläufen vorzufinden ist.

Wir bewundern dieses zähe Volk das keine Arbeit scheut. Wir staunen über die Terrassenfelder, die an den steilen Hängen angelegt wurden, über das kunstvolle Mosaik von Reisfeldern das uns zu Füssen liegt.

Hier wird alles noch von Hand gemacht, mit der Handsichel das Getreide geschnitten, in Bündel geschnürt zum Trocknen, später dann in grossen Körben auf dem Rücken nach Hause getragen und auf dem Lehmdach gedroschen, dann von Hand mit viel Geduld aussortiert.

Draußen am Brunnen wird sich mit kaltem Wasser gewaschen, natürlich angemessen mit Tuch bedeckt.

Die Wäsche wird am Fluss gewaschen, die Kleider irgendwo drübergelegt, selten sieht man Wäscheleinen.

Wunderschöne junge Mädchen mit starken Rücken tragen schwerbeladene Körbe voll mit Bohnen oder Heu ins Tal hinunter.

Alte Frauen in verblichenen, bunten Saris mit riesigen Goldklunkern an der Nase erwidern lächelnd unser 'Namaste', stets die Sichel in der Hand.

Grosse Kinderaugen in schmutzigen Gesichtern mit verfilztem Haar starren uns manchmal misstrauisch an oder springen uns leicht überstellig nach und brüllen "give me a balloon" oder "give me candy" nach.

Mir schauderts bei der Vorstellung, dass wir Touristen hier einst durchliefen und bunte Ballons und Süssigkeiten verteilten. Sind wir wirklich so abartig?

Gerade gestern kam ein kleines Mädchen zu mir und schmatzte kauend auf einem blauen Plastikgummi rum -hätte ein Ballon sein können-

Seit über 20 Jahren spriessen hier abertausende NGO's und Hilfsprojekte aus dem Boden und noch immer liegt der größte Teil des Landes als Entwicklungsregion in "Armut".
Verständlicherweise ist auch hier die Verschmutzung ein riesiges Problem, dass Abfall nicht in die Natur gehört scheint jedoch niemanden zu interessieren.
Selbst die gebildete Oberschicht lässt die leeren "Mega Shree"-Säcklein einfach fallen, egal wo sie gerde sind, ob im Bus, im Haus oder auf der Strasse.

-Mega Shree ist ein chemisches Kaupulver das stark abhängig macht und sehr schädlich ist. Die Wirkung ist wohl ähnlich wie Kautabak. Wir sehen selten Männer die es nicht einnehmen-

Selbst nach einem Gespräch mit einer modernen Management-Studentin, bei der wir das Abfallproblem angesprochen hatten, fällt keine zwei Sekunden nach der Unterhaltung eine Plastiktüte zu Boden und wird vom Wind weggeweht.


Im Gespräch mit Krishna, einem ausgewachsenen Vollwaisen aus einer Brahmanen-Familie, zeigt sich schnell wo die Probleme liegen: Ständig wechselnde Regierungen, Korruption und mangelnde Bildung beim Grossteil der Bevölkerung. Er spricht über die Sinnlosigkeit vieler Hilfsprojekte, weil sie lediglich Symptome bekämpfen und die falschen Leute davon profitieren würden.

Im Gespräch mit Satya, einem Studenten aus Kathmandu, der gerade in Jumla war, um eine Prüfung zu absolvieren, meinte dieser, dass Armut kein Thema sei, die Nepalis seien reich insofern die meisten Land und ein Haus besitzen. Niemand müsse obdachlos sein, die harte Feldarbeit sei man sich gewohnt.

Seine alte Mutter widerspiegelt wohl das Streben nach Eigenständigkeit des Volkes: Obwohl er sie nach Kathmandu in ein komfortables Leben einlud, bevorzugt sie das harte Leben auf dem Land, in ihrem kleinen Häuschen.

Satya's Ausstrahlung zeichnet sich durch eine angenehme Mischung aus Stolz, Intelligenz und Ehrgeiz aus. Er habe hart gearbeitet um einen gut bezahlten Job beim Staat zu erhalten. Nun arbeitet er bei der Wasserversorgung und studiert nebenbei noch. Er verdient 25'000 Rupies im Monat, das sind etwa 250 $ Dollars. Damit gehört er zu den Besserverdienenden. Er erklärt uns, dass nichts unmöglich sei, wenn man hart dafür arbeitet.

Mit diesen Worten betrachten wir die emsig arbeitenden Bauern, mit von der Sonne schwarz gebrannter Haut, wie sie in Steilhängen mit den Wasserbüffeln ihr Feld pflügen.

Ja wahrlich, hier scheint nichts unmöglich.


Rara Lake
Rara Lake

Rara Lake

Mithilfe des Lonelyplanet -vielen Dank Hans!- hatten wir uns eine Wanderroute zusammengestellt und mit Zelt, ausreichend Verpflegung und ein paar Fotos von einer Wanderkarte machten wir uns auf den Weg zum beliebten Rara Lake, dem Ausflugsziel Nummer eins der Nepalesen.

Die Räder stellten wir im Speisesaal unserer kleinen Lodge in Chinchu ein und reisten erstmal zwei Tage mit dem Bus nach Jumla.

Mit allerlei Plunder und vielen Einheimischen saßen wir dann in einem der schönbunten Busse, laute Musik in den Ohren und Strassenstaub im Gesicht. So holperten wir Serpentinen hoch und runter. Stund um Stund wurden wir auf engen Schotterpisten ordentlich durchgeschüttelt bis es dunkel wurde. Wir fuhren an steilen Abhängen vorbei und hielten den Atem an, wenn wir in einer Kurve mit einem anderen Fahrzeug kreuzen mussten.

Glücklicherweise war da ein Tierarzt-Student mit bisschen Englischkenntnissen, der es sich zur Aufgabe machte uns Begleitschutz zu geben und übersetzte für uns so gut es ging.

Wir erhielten für 500 Rupies (ca. 5$) ein Einzelzimmer in der Gaststätte, wo der Bus hielt. Das Zimmer befand sich im 2. Stock und hatte einen Extraerker mit einem Kloloch... unglücklicherweise konnte man die Klo-Türe nicht schliessen und wiedermal schliefen wir im Kloakendunst ein, unsere Nasen tief in unserem Schlafsack vergraben.

Für 150 Rupies (ca. 1.50 $) inklusive Daal Bhat (Reis mit Linsen) hätten wir mit den anderen Reisenden in einem Raum gemeinsam schnarcheln können...

Am nächsten Morgen um 5 Uhr ging's dann weiter mit ca. 300 Kilo Reis geladen. In Nagma mussten wir umsteigen, aber diesmal war der Bus bereits voll mit Lebensmitteln, Bananen, Reis und allerlei sonstigem Material, das sich im Mittelgang auftürmte, in einer Kiste fiebten sogar junge Küken.
Wir hatten Glück und konnten zwei Sitzplätze auf Sesseln ergattern.
Auf dem Rückweg waren auf dem Dach sogar zwei Schafe angebunden, --ach die armen Dinger!- Eines fiel sogar beinahe runter, ich glaubte die beiden totgeschüttelt. Doch als wir für die Nacht hielten, standen sie tatsächlich auf wackligen Beinen im Gebüsch und knabberten an Blättern.
Am nächsten Tag wurden sie in eine kleine Lucke neben dem Fahrwerk reingestopft. Auch dies hatten die Armen letztendlich überlebt, -ich schien die einzige Mitleidende-

Dann, nach einer erholsamen Nacht in Jumla, machten wir uns auf den Weg zum Rara See. Vor uns lag die erste Passbesteigung, Daphe Lagna auf 3600 Meter.

Ein junger Student begleitete uns zufällig ein kurzes Stück, er kam aus Kathmandu und lief nun eineinhalb Tage nach Sinja, zu seinem Heimatort.
Die Verständigung auf englisch war holprig und unsere Fragen wurden stets mit einem kuulen "johh" beantwortet. Doch war uns eine kurze, intensiv Nepali-Lesson nicht vergönnt, wir lernten Haus: "ghor", hoch: "mathi" und tief: "dhala".
Unser Begleiter sorgte dann auch gleich für weiteren Begleitservice und übergab uns einer anderen Truppe, die auf dem selben Weg war. Doch die waren glücklicherweise so schnell, sodass wir dann endlich wieder die Zweisamkeit genießen konnten.

Auf dem Weg zum Pass trafen wir nur noch einen 70jährigen Japaner mit seinem Träger und dem Guide, sie waren auf dem Weg nach Simikot (über 8 Tage Trekking).

Beim Abstieg ins Tal überraschte uns noch ein Hagelschauer und nachdem wir ein abgerutschtes Wegstück heil überwunden hatten, fanden wir endlich ein lauschiges Zelt-Plätzchen am Fluss, kurz bevor die Sonne verschwand. Wiedermal schliefen wir zu früher Stund und gönnten dem wunderbaren Sternenhimmel leider nur ein kurzes Staunen, so müde waren wir.

Während unseren drei Wandertagen liefen wir selten an Dörfchen vorbei, doch in den Hügeln und hoch oben auf den Bergkämmen waren immer wieder Häuser zu sehen. Gelegentlich begegneten uns Schaf- oder Kuhhirten oder Farmersleute auf dem Weg zur nächsten Siedlung.

Am Rara See gönnten wir uns dann eine Nacht in einer Lodge, um unsere Vorräte für den Rückweg zu sparen, denn Einkaufsmöglichkeiten gab es kaum und das Benzin im Kocher verbrauchte sich gar schnell.
Mal konnten wir ein paar trockene Kekse und Instant Noodles für den Notfall an einem kleinen Kiosk ergattern. Seltsamerweise hatte jedoch der Verkäufer kein passendes Rückgeld...

Jedenfalls waren wir gemeinsam mit einer 30köpfigen Studententruppe zu Gast in der Lodge und durften in der geheizten Scheune das traditionelle Gesangsspiel kennenlernen.
Leider ist uns der Name bereits wieder entfallen, doch es war herrlich mitanzuhören, obwohl wir nichts verstanden.

Das Spektakel findet stets zwischen zwei Protagonisten statt, welche sich mit kreativen Sprüchen gegenseitig ein Wortgefecht liefern. Der Zuschauer- Chor trommelt stets den Takt und setzt dann zum Refrain ein. Wir wurden natürlich auch noch herausgefordert zum Tanzen, wir haben wiedereinmal viel gelacht.

Am nächsten Tag wanderten wir weiter über den Chuchamate Danda auf 3800 Meter und fanden ein herrliches Schlafplätzchen mit Blick ins Tal. Dicke, graue Wolken zogen bereits auf und hingen bedrohlich tief als wir das Zelt aufstellten. Kaum hatten wir fertig gekocht, setzten die ersten Regentropfen ein. Doch das Unwetter blieb aus, diesmal wurde unser "Husky" vom Härtetest verschont.
Dann, am nächsten Tag, erreichten wir Sinja und schnappten uns die Gelegenheit, wieder mit dem Bus (zwei Tage) zurück nach Chinchu zu fahren. 


Brautpaar in der Mitte
Brautpaar in der Mitte

In Chinchu warteten unsere treuen Stahlpferdchen geduldig in der Lodge. Nach einer ordentlichen Kaltwasserwäsche gesellten wir uns dann zum Volk auf der gegenüberliegenden Strassenseite, laute Musik und edel geschmückte Frauen machten uns "gwundrig".
Weil in wenigen Tagen das grosse Fest stattfinden wird, glaubten wir, es sei eine Vorfeier, wie üblich in den kleinen Dörfchen.

Kaum streckten wir die Hälse neugierig in das Festzelt, wurden wir gleich willkommen geheissen und an einen Esstisch verwiesen. Die Leute im "Speisesaal" beäugten uns etwas kritisch, doch mit einem Lächeln war gleich Freundschaft geschlossen. 


Uns wurden Reis und Linsen serviert und so assen wir, in der Hoffnung von jemandem gefunden zu werden, der uns über die Feierlichkeit aufklärt. Dann, nach dem Essen, suchten wir anstandsmässig nach einer "Zahlstelle".

Erst da zeigte man uns das Brautpaar, dass mit rotverschmierten Gesichtern in einer Scheune versteckt auf einem roten Sofa sass und die Segnungen entgegennahm.

Wir durften dann auch an der Zeremonie teilnehmen und den eingefärbten Reis mit guten Wünschen dem Brautpaar auf die Stirn drücken, sowie etwas Geld spenden und erhielten den roten Brei dann als Dank auch selbst aufgepappt.

Dann bat man uns zu tanzen... Uiuiui und es wurde sogar extra für uns eine englische, uns unbekannte Schnulze aufgelegt.
Trotz unserem miserablen Tanzeinsatz hatten wir dem Brautpaar die Show geklaut!
Denn plötzlich waren wir umzingelt von einem riesigen Menschenring der neugierig unsere Tanzkünste musterte. Mensch war uns das peinlich!

Doch glücklicherweise lockerte sich nach dem Lied die Masse etwas auf und es tanzten alle die Lust hatten. Wenige Minuten später wurde dann ein Bus beladen mit Möbeln und Habseligkeiten der Braut (die ihr von ihrer Familie mit auf den Weg gegeben werden). Braut und Bräutigam wurden anschliessend auf dem Rücken von jeweils einem "Träger" und unter einem Regenschirm in den Bus getragen.

Ein Englischkönner erklärte uns dann die Traditionen und Prozeduren: Die Braut würde nun zum Haus des Bräutigams gebracht. Dies sei ab jetzt ihre Familie und für sie beginne ein neues Leben. Ihre eigene Famile könne sie natürlich noch besuchen, doch ihr Platz sei nun beim Ehemann.

Leider konnten wir nicht all unsere Fragen klären, aber es war ohnehin wieder einmal mehr sehr eindrücklich für einen kurzen Augenblick an einem solchen Geschehen teilhaben zu dürfen. 


Ausgeplaudert: Von wegen der Weg ist das Ziel

Liebe Liselotte, deine Fragen sind gut und haben uns die letzten Tage etwas intensiver bewegt als sonst.
Also wir versuchen mal zu resümieren:

Als Erstes fragten wir uns natürlich was denn das Ziel ist... und das ist für Percy und für mich ganz unterschiedlich.
Während für Percy das Ziel war, Nepal zu erreichen, um nicht als Bluffer dazustehen, war es für mich das Ziel nach Hause zu kommen.

Doch was ist "zu Hause"?

Auch diesen Begriff definieren wir
sehr unterschiedlich, bzw. erhält eine neue Bedeutung seit wir unterwegs sind.

Unser "Heim" ist mittlerweile das Zelt oder auch ein Ort, an dem wir mindestens zwei Nächte schliefen. Wir lernten uns dort zu Hause zu fühlen, wo es uns wohl war, sei es in Verbindung mit lieben Menschen oder einer heimeligen Umgebung.
Doch nun wird die Frage immer dringlicher, da wir uns innerlich mit dem Rückweg befassen. Denn eines ist uns klar geworden: "Daheim ist's doch am schönsten."

Auf unserem Weg haben wir viele Antworten gefunden, auf Fragen die wir gar nicht gestellt hatten.
Und die Fragen, welche uns seit Beginn der Reise begleiten, blieben bisher unbeantwortet und beschäftigen uns aktuell immer wieder mehr:
WO und WIE wollen wir unser Leben gestalten? WAS können/ wollen wir sinnvolles arbeiten?

Das sind natürlich absolut dekadente Fragestellungen, für uns vermeintlich die Grundlage von Existenz, doch gerade angesichts der Bilder und Informationen, welche wir hier im Unterwegssein aufnehmen, zeigt sich ein komplexer Widerspruch auf, wodurch das Beantworten zusätzlich erschwert wird, da sich die Fragen stets hinterfragen lassen.

Es ist wahrlich ein riesen Geschenk, dass wir in der Gunst stehen uns überhaupt solche Gedanken machen zu können und diese Fragen stellen dürfen. Aber damit liegt es auch in unserer Verantwortung diese achtsam zu behandeln.
Dabei wird auch der Glauben entfacht, Rechenschaft gegenüber anderen abgeben zu müssen, um sich angesichts von Zuständen und Verhältnissen zu legitimieren.

Ist es tatsächlich ein Privileg oder ist's ein Fluch?

Wir ertappen uns wie wir gedankliche Luftschlösser erbauen, doch alles zerplatzt innerhalb von Sekunden bei der Frage, brauche ich das wirklich?

Wir können mit so wenigen Hilfsmitteln glücklich sein und wir sehen, wie andere Menschen mit noch weniger ihre Existenz nicht in Frage stellen, sondern einfach tun was getan werden muss, ohne Verdruss und Reue.

Und nun ist es an uns zu entscheiden, natürlich unter Berücksichtigung der Gegebenheiten, was wir mit all unserem Wissen und den Erfahrungen tun, um wieder ein Leben als schweizer Büger aufnehmen zu können.

Hier hatten wir stets die Möglichkeit uns irgendwie aus unangenehmen Situationen herauszunehmen, konnten weiterziehen, konnten auf Distanz gehen, konnten experimentieren und in verschiedene Rollen schlüpfen, doch wir werden wieder lernen müssen unseren Biorhytmus anzupassen an feste Strukturen und geforderte Leistungen.

Wie gelingt es uns diese in uns erwachte Freiheit und neugierige Lebendigkeit in einen Alltag, in eine Routine zu integrieren, damit sie nicht erstickt?

Denn das scheint doch das Ziel zu sein, alte vergilbte Verhaltensmuster aufbrechen und den normalen Alltag als wunderbare Abenteuerreise erleben zu können, in vertrauter Umgebung mit den geliebten Menschen und ihren Geschichten. Anteil nehmen zu können und die Freude aber auch die Trauer zu teilen.



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