On the way again

Mittlerweile sind also unsere Stahlpferdchen heil in der Schweiz angekommen und stehen schon gut verräumt in der Garage. 


Da der Anhänger nicht mitkonnte, hatte Percy diesen verkauft und mit dessen Erlös quasi eine Reisegitarre gekauft,  bzw. endlich sein Geburtstagsgeschenk- Gutschein eingelöst.


Die Zeit in Kathmandu verflog wiedermal in Windeseile,  nach dem wir die Visa für Indien beantragt hatten,  verbrachten wir die Zeit mit Himalayan Coffee, lesen, Strassenwinkel erkunden, Musikmachen und Percy's Eltern treffen.



Kathmandu
Kathmandu

Nun sitze ich hier im "fancy Cafe" gleich neben dem "Indian Visa Center" und warte auf Percy.
In weniger als einer Dreiviertelstunde sollten wir unsere Pässe wieder in der Hand halten mit einem vier Monate gültigem Visum.

Ich muss schmunzeln, so desorganisiert, wie bei der Beantragung dieses Visums, waren wir schon lange nicht mehr.
-Sind wir vielleicht doch schon zu lange unterwegs?-
Aber nun endlich verstehen wir den gängigen Ausdruck "Visarun" mit Leib und Seele:

Eigentlich war alles ganz simpel, online ein elend langes Formular ausfüllen, einige Kopien von Pass und Nepal Visum sowie letztem Indien Visum, und ein Passfoto im speziellen Format organisieren. Innerhalb eines Tages hatten wir alles beisammen.

Am nächsten Morgen hiess es in der Schlange warten. Bereits um 9.35 Uhr (Center öffnet um 9.30 Uhr) zogen wir das Ticket Nr. 42. Wir errechneten eine Wartezeit von ungefähr zwei Stunden.
Nach einer dreiviertelstunde Wartezeit fiel mir auf, dass unsere Passfotos fehlten. Vorne an der Anzeige blinkte die Nummer 15.
Es war noch Zeit um die Fotos in unserem Zimmerchen zu holen. Doch das lag nicht gleich um die Ecke, man musste sich beeilen, denn manchmal überhüpfte der Nummerzähler die Ungeduldigen die nicht auftauchten.

Nach einem Vollsprint mit Slalomlauf durch die verkehrsverstopften, engen Strassen, kam ich verschwitzt wieder zurück und es gähnte mich die Nummer 29 an. Da hätt ich mich gar nicht so auspowern müssen...
Kurz vor der Mittagspause waren wir dann endlich an der Reihe.
Am Schalter hiess es, dass die gewünschte Visumdauer von vier Monaten nicht mit "single entry" beantragt werden könne und es fehle auch die Postleitzahl von Percy's Heimatort, wir müssten alles korrigieren, sprich, das Formular online neu ausfüllen und könnten es erst am Montag wieder vorbeibringen. (Es war Freitag)

Wir entschieden kurzerhand die mangelhaften Anträge trotzdem abzugeben. Schließlich hatten wir das Prozedere schon einmal erfolgreich durchlaufen, so kompliziert kanns doch nicht sein!
Aber natürlich nagten anschließend die Zweifel an unserer Spontanität, war es die richtige Entscheidung?
Denn wenn es abgelehnt werden würde, hätten wir kostbare 200 $ nutzlos verschleudert.

Nun gut, wir erhielten die Quittungen für die Bezahlung und die Anweisung, in einer Woche wiederzukommen, um die Pässe abzugeben. Falls die Visa's bewilligt werden, hätten wir dann die Pässe inklusive gültigen Visakleber am Folgetag in der Hand.

So vertrieben wir uns die Wartezeit damit, die Sehenswürdigkeiten von Kathmandu mit Hans uns Eva (Percy's Eltern), und ihrer deutschen Reisetruppe abzuklappern. Aber das ist eine andere Geschichte, mehr dazu später.

Bei dem 2. Besuch des "Indian Visa Center" glaubten wir uns um vieles Schlauer, und waren schon 15 Minuten vor der Öffnungszeit da, doch überraschenderweise standen bereits über ein dutzend Menschen in der Warteschlange. Enttäuscht stellten wir uns hinten an. Als wir dann auf der Wartebank mit der Ticketnummer 17 sassen, bemerkte ich, dass meine Quittung für die bezahlte Visagebühr fehlte. Ja wo zum Teufel habe ich die nun schon wieder vergessen?
Am liebsten wäre ich im Erdboden verschwunden, aber es blieb mir nichts anderes übrig als zu rennen. Denn wir wissen bereits wie ungemütlich Fehler beim Visabeantragungsprozess sein können.
Somit begab ich mich wieder auf einen Sprint zurück zu unserem Zimmer, diesmal nicht Barfuß (beim erstenmal mit Schlappen kam ich nicht sportlich genug voran) sondern mit Wanderschuhen. Dummerweise fand ich sie nicht, doch ich war wiederum rechtzeitig zurück. Am Schalter verzieh man mir meine Schludrigkeit, da Percy seine Quittung vorweisen konnte.
Na, Glück gehabt!
Als man uns dann bestätigte, dass uns das Visa entsprechend dem Antrag bewilligt wird, trauten wir unseren Ohren nicht. Aber wir waren natürlich heilfroh und enorm erleichtert.

Beim 3. Besuch setzten wir uns vorher noch in ein "fancy" Cafe, denn bis zum Abholungstermin war noch ne Dreiviertelstunde Zeit.
Völlig entspannt und vorfreudig sassen wir da... bis Percy feststellte, dass er die wichtige Quittung nicht bei sich hatte.

Nein! Das ist ein schlechter Scherz! Dachte zuerst Percy will mich veräppeln, doch tatsächlich, die Quittung war nicht mitgekommen.
-Ohne Quittung keinen Pass, oder vermutlich dann einfach nur mit kompliziertem Prozedere-

So ist es diesmal Percy der den Sprint von insgesamt 5 Kilometer zurücklegt, während ich hier ungeduldig am Tee nippe und tippe.

Doch siehe da! Er ist rechtzeitig zurück! Sein bestelltes Sandwich hat geduldig auf ihn gewartet, das schlingt er nun hinunter und wir machen uns auf zum Service Center.

Na, das hat uns nun wachgerüttelt und wir lernen aufmerksamer zu sein, dacht ich erst, naja... zumindest erhalten wir uns damit einen Bruchteil unsere Fitness. -Haha-


"Meet the parents"

 

Hans und Eva hatten bereits im Spätsommer eine Gruppenreisetour für Dezember nach Nepal gebucht, damals wussten wir noch nicht ob wir dann schon, bzw. noch in Nepal sein würden.
Doch natürlich bemühten wir uns, den Termin anfangs Dezember in Kathmandu anzupeilen, wenn sie mal so nahe sind, will man sie ja nicht verpassen! Das letzte Mal hatten wir sie im Februar, in Tiflis (Georgien) gesehen.

Ihre Ankunft in Kathmandu bot uns natürlich Gelegenheit einige Kleinigkeiten zu bestellen, wie neue Schlafmätteli, Ersatzteile für den Kocher, sowie einen neuen Ereader -denn Bücher auf dem Buckel zu schleppen ist gar nicht so leicht.
Und jetzt hoffen wir endlich mehr Zeit zum Lesen zu finden, ohne dass die Augendeckel nach wenigen Zeilen vollautomatisch zuklappen. Schmunzel-

Das eine Schlafmätteli und Ersatzteil hatte meine Mum für uns noch schnell organisiert und das andere hatte Tine geduldig aufbewahrt (eine defekte Schlafmatte konnten wir damals in Kroatien zurücksenden und wurde uns im MagicMount Konstanz ersetzt, Tine hatte sie für uns abgeholt und gehortet).

Die Koffer von Hans und Eva waren dann zusätzlich noch vollbepackt mit allerlei "Goodies". Sie hatten uns viel leckeren Käse und Schoggi mitgebracht.
-mmmhhh! Da gedeihen unsere "Speckrölleli" schon wieder prächtig-

Oh, und nicht zu vergessen, Percy trägt jetzt mit aller Hingabe ein dickes, schweres Buch von seinem Bruder mit und er liest, sogar über die ersten 10 Seiten hinaus! -Da staunst auch du Impi gell?-

ViELEN HERZLiCHEN DANK AN EUCH ALLE!!!

Tja, nach dem ersten gemütlichen gemeinsamen Zmittag, galt es möglichst viel Zeit mit Hans und Eva verbringen zu können, schließlich waren wir ja gespannt auf die neuesten News von "zuhause". Doch das dichte Reiseprogramm machte dies zu einer abenteuerlichen "Verfolgungsjagd".

Der nette und hilfsbereite Guide ermöglichte uns, dass wir zumindest die Kathmandu-Sightseeingtour mitmachen durften, sprich, wir fuhren sogar mit dem luxuriösen Reisebus wenige Kilometer bis zum Affentempel und zum bekannten Durbarsquare.
Leicht irritiert befanden wir uns plötzlich in einer riesigen Reisetruppe... so fühlt sich das also an!

Danach gestaltete sich das "meet the parents" wie eine aufregender Foxtail- Suche.

Bereits am ersten Abend bereuten wir es, dass wir Hans nicht eine Nepali Sim-Card geschenkt hatten, -das wäre ne praktische Sache gewesen- .
Denn es galt ein Taxi zu finden, das uns an einen Ort fährt, den nur der Guide kennt, bzw. der uns am Telefon nicht erklärt werden konnte... das schien mit einem nepali Taxifahrer besser zu funktionieren.

Also fuhr uns ein Taxi zu einem netten Lokal, dort spiesen wir mit Hans und Eva und der ganzen Truppe, typisch nepalesisches Essen und genossen das traditionelle Folklore Programm.
Für den nächsten Tag rüsteten wir Hans mit einer SIM-Card aus und die Verfolgungsjagd konnte losgehen.

So rumpelten wir mit einem lokalen Bus nach Bhaktapur und während wir uns die imposante Architektur und das erstaunliche Kunsthandwerk bestaunten, warteten wir bis die Touristengruppe vorbeikam. Erst versuchten wir via "Location" die Gruppe anzulaufen, doch da wo Hans blauer Punkt auf der Karte leuchtete kamen wir nicht hin, selbst wenn wir direkt davor standen...
-Später löste sich das Rätsel auf, die Gruppe befand sich an einem Vortrag in einem Klangschschalenladen.-

Zumindest konnten wir jeweils so ungefähr nachverfolgen wo sich die Gruppe befindet. Das war Prima!
Ein Lob an die modernen Cellphones. Whatsapp macht's möglich...

Tatsächlich stolperte die Gruppe beinahe an uns vorbei und wir gesellten uns für das Mittagessen dazu.

Am Folgetag begleiteten wir dann die Truppe noch auf eine kurze Wanderung in Nagarkot, es ging zum vielversprechenden Viewpoint. Leider offenbarte uns der Ausblick nur grüne Hügel und viel Dunst. Zum Trost boten Verkäufer schöne Panoramaposter an, na denn müssen halt die Berge auf Papier bestaunt werden...

Erst auf dem Rückweg zeigte sich in weiter Ferne eine vorsichtige Bergspitze. Was für ein freudiges Ereignis!

Tja, allzuschnell war dann dieser Ausflug vorbei und wir mussten uns verabschieden, denn in Kathmandu wartete das Indien Visa auf uns.

 


Unser erster Backpacking Tag

 

Da stehn wir nun mit unseren vollbepackten Rucksäcken, sie hängen schwer und unbequem am Rücken. Es zwickt und kratzt.

Eigentlich sollte es sich doch so anfühlen wie immer wenn wir mit den Rucksäcken losziehen.
Aber irgendwas stimmt nicht.

Natürlich haben wir nun doch etwas mehr "Glumpp" dabei, als auf unseren Wandertouren, aber sooviel schwerer kanns nicht sein.

Wir haben keine Lust auf staubigen, lärmigen Strassen zu laufen und sitzen daher im Bus nach Dulikhel, da könnte es etwas ruhiger werden.
Doch als wir Dulikhel erreichen sind wir motiviert noch etwas weiter zu kommen. Also warten wir auf den nächsten Bus.

Der nächste Ticketboy möchte natürlich wissen wohin wir wollen. Doch wir haben keinen konkreten Plan, mal in diese Richtung, dorthin wo es schön ist? Das versteht er natürlich nicht.

Plötzlich sind wir gefordert einen konkreten Anhaltspunkt festzulegen, dabei ertappen wir uns, wie wir in kleinen Etappen rechnen. 100 km ist schon weit. Hier ist es zwar tatsächlich weit, bedenkt man, dass wir teilweise über eine Stunde Fahrzeit für 30 Kilometer brauchen.

Unsere Hintern schmerzen, gibt's nicht oder?
Viel sehen wir nicht von der vorüberziehenden Welt, ausser Strassenstaub und Abgas riechen wir nichts von der bunten Welt da draussen.
Sehnsüchtig denke ich daran auf dem Sattel zu sitzen, mit schmerzendem Hintern, wiederlichem Gestank und blumigen Düften in der Nase, verschwitzt aber irgendwie ausgelastet und zufrieden.

Percy blickt mich aus müden Augen an, wir sitzen gerade mal zwei Stunden im Bus: "War's ein Fehler die Stahlpferdchen zurückzusenden?"

Nun hängen wir schief im Sitz, während mich das Geschaukel immer wieder einschläfert kämpft Percy mit seinen abertausend Krämpfen und Schmerzen im Körper... -na dem kann man aber wirklich nichts recht machen...-

Missmutig steigen wir aus dem Bus, suchen im dunkeln eine Unterkunft. Nach 10 Minuten macht Percy bereits eine Erschöpfungsbilanz: Sein Knie zwickt, der Rücken schmerzt und er schwitzt. Wie weit wir denn noch gehen müssen?

Hmmm...

In einer kleinen Absteige mampfen wir das Dhal Baht wieder zum üblichen Localpreis, wie wir ihn aus dem Westen kennen. Während uns die ganze Familie beobachtet, erzählen wir, wie wir mit dem Fahrrad nach Nepal kamen und schämen uns, wenn wir die Frage, wo die Räder jetzt sind, mit "In der Schweiz", beanworten müssen.

Dann auf der Pritsche, in unsere Schlafsäcke wohlig eingemummelt zählen wir im schwachen Licht von der Strasse die "Spinnemuggele" an der Decke und bewundern die braunen Spuckflecken an der Wand.

Ja da sind wir wieder, das ist uns bekannt, hier fühlen wir uns doch irgendwie wohl, in dieser einfachen Welt, wo andere Werte gelten, diese ist uns sympathisch geworden.

Keine 150 km von Kathmandu entfernt treffen wir wieder auf das Nepal, dass wir lieben. Neugierige, herzensgute Menschen, die nicht verstehen können, dass wir keine Kinder haben.

Hier sind wir wieder Strangers, nicht nur für die Nepalis sondern auch für uns selbst.


Identitätskrise

Wir stecken fest, zumindest emotional. Irgendwie müssen wir wohl erst mit der Umstellung klarkommen und verdauen.
Man fühlt sich irgendwie amputiert... die Räder fehlen.

Ich habe die Auswirkungen völlig unterschätzt!

Nun dürfen wir uns wieder neu auf ein anderes Unterwegssein einstellen, komisch oder?

Wir waren ja oft schon auf diese Weise unterwegs -zu Fuss mit Rucksack-, vielleicht verhinderte das Wissen über die absehbare Zeit, dass dieses tiefgreifende Unwohlsein nicht aufkommen konnte. Denn wir wussten immer, dass wir bald wieder in den Sattel steigen werden um weiter zu ziehen.
Das wissen wir jetzt eigentlich auch, doch es liegt ne laange Zeit dazwischen... und das Ziel, das wir anpeilen ist uns grösstenteils bekannt...(zurück in die Schweiz)

Irgendwie schon lächerlich, aber es fühlt sich tatsächlich wie eine Identitätskrise an.


Aber keine Sorge! Uns geht es gut! Wir werden uns schon eingewöhnen, an diese Art von Unterwegssein und es nach unserem Geschmack zu gestalten wissen.


 Irgendwie ist auch der Hunger nach Unterwegssein für den Moment gesättigt, vielleicht findet uns ja ein nettes ruhiges Plätzchen zum sein und meditieren bzw. musizieren. ;)


Es ploppen immer mal wieder Hirngespinste auf, erst dachten wir,  wir könnten den Anhänger als Lastenschlepper umfunktionieren... dann überlegten wir uns vielleicht eine Rikscha zu kaufen, oder ein Elektro Tuktuk... 

Mal sehen... Möglichkeiten gibt's ja viele und wenn wir uns die Freiheit schenken,  können wir tun und lassen was wir wollen -sofern es niemandem schadet natürlich-.


Das ist ja eigentlich das Schöne an Krisen. Sie bieten die Möglichkeit die Perspektive zu wechseln und neue Wege zu gehen.


Wir sind gespannt wo sie uns hinführen.


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Kommentare: 2
  • #1

    Impi (Sonntag, 16 Dezember 2018 11:24)

    Liebe Ihr beide
    Ich kann euch sehr gut verstehen, wenn ihr sagt, dass es nicht leicht war, die Fahrräder nach Hause zu schicken und sich auf einmal auf eine neue Reiseart einzulassen. Alles geht so langsam, man ist abhängig von anderen Menschen oder bestimmten Zeitplänen von Bussen.
    Ich bin aber sicher, dass ihr auch das schaffen werdet. Ihr habt schon so viel geleistet, schon so viele Hindernisse überwunden, so oft wieder aufgestanden, dass ich mir keine Sorgen mache. Falls es aber nicht klappt, wisst ihr hoffentlich, dass wir uns hier in der Schweiz sehr über eure Ankunft freuen würden.
    Ich wünsche euch beiden eine schöne Weihnachtszeit (was in einem hindustistischen Land sicher nicht ganz einfach sein wird). Wir denken an euch...

    Kuss
    Impi

    Ps: Schön PJW, dass du mehr als 10 Seiten liest. Bei "Also sprach Zarathustra" waren es nur zwei oder drei....

  • #2

    Luzia (Sonntag, 16 Dezember 2018 22:31)

    wow... was für Geschichten ihr doch mal wieder schreibt! dAnkE!
    crazy... und Ihr macht es einfach. mega. und nach unendlich vielen hügeln und tälern nun noch der staudamm der krise! und irgendwann werdet ihr wieder den Fluss finden und .... ihn fliessen oder wenn wieder mal ein Contest mit der Überquerung von Körper und Geist ansteht, auch den Fluss überqueren :-)
    bis bald!!
    take care und macht es euch nicht so schwer ;-)
    hugy Lu