Goodbye India...


Frühmorgens in Kochi
Frühmorgens in Kochi

Wir verließen Gokarna und reisten nach Kochi. Unser letzte Reise mit dem Nachtzug in Indien, zumindest für dieses Jahr.


Was tun wir bloß, wenn wir in der Schweiz wieder Zug fahren und wir wieder zu bedeutungslosen Passagieren werden? 

Dann werden wir unsere Zeit wieder mit Lesen verbringen, die Nasen tief in Büchern vergraben, oder völlig zugepfropft auf dem Smartphone herum"töggelen" und uns Geschichten über die anderen Passagiere ausdenken.


Diesmal hatten wir erstaunlicherweise Glück und obwohl wir gerade noch die letzten Tickets reservieren konnten, war unser Abteil leer. 

Kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht, scharte sich eine Gruppe von halbstarken Jungs um uns.  Umzingelt von neugierigen Augen begann die amüsante Konversation mit Hand und Fuß und einer handvoll englischen Schlüsselwörtern.


Die Jungs waren unterwegs zu einer Prüfung für die Marine, vermutlich Aufnahmeprüfung. Morgens um vier Uhr würden sie ankommen, dann im Bahnhof irgendwo zwischen den Bänken schlafen und anschließend für die Prüfung lernen, gelernt hätte nämlich noch niemand, die Prüfung sei dann am Abend, danach würde es wieder heimwärts gehen.

Wir wünschten viel Erfolg!

So sehen Indiens zukünftige Matrosen aus
So sehen Indiens zukünftige Matrosen aus

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Wir erreichten Kochi zu unchristlicher Stunde, mitten in der Nacht. Auch wenn wir irgendwo eine Rikscha hätten auftreiben können, hätten wir im Dunkeln im Park auf die erste Fähre nach Fort Kochi warten müssen. Wir entschieden uns daher für die Spätvorstellung beziehungsweise earlybird-Vorstellung am Bahnhof. 


So saßen wir da in unserer Bankreihe und schauten in die Welt hinaus, bzw. in die Welt der indischen Bahnreisenden hinein. Dann, als im Morgengrauen langsam auch die Bettler und Wohnsitzlosen ihre Nachtlager einsammelten und mit der rituellen Morgentoilette begannen,  zogen wir weiter zur Anlegestelle. 


Und wiedermal staunte ich über die seltsamen Aspekte die sich in diesem Land oft so konträr gegenüberstehen.


Da zahlen wir 4 Rupies pro Person (5 schweizer Rappen, ca. 5 Cent) für eine 15 minütige Überfahrt mit der Fähre,  wobei für den Arbeitsprozess vom Billetverkäufer bis zum Steuermann, Handlanger und Kontrolleur, mindestens 5 Personen arbeiten. 


Im Gegenzug zahle ich 5 Rupies um am Bahnhof das Klo benutzen zu dürfen, die von einer alten Frau einkassiert werden.  Für das grosse Geschäft zahlt man sogar das Doppelte.


Aleppey und die Backwaters
Aleppey und die Backwaters

Nach zwei gemütlichen Tagen in Kochi zogen wir weiter nach Aleppey. 

 

Ungünstigerweise konnte Percy keine ausgedehnten Spaziergänge machen, ohne dass er alle paar Meter pausierte um sich mit verzerrtem Gesicht am Kreuz, am Knie oder im Hüftgelenk zu stützen. (Pj: Sie lügt mal wieder: Ich kenne gar keine Schmerzen, bin automatisch dauerfit, da Sportlehrerdiplom II.)

-Ja wir alle kennen das, nur nicht nachgeben und Schwäche zeigen. Alles halb so wild, es wird schon wieder! Geht schon... man tut sich alles so schönreden. Der Kopf, unser eiserner Wille, er wird sich schon über den Körper hinwegsetzen- 

 ...und das seit über zwei Monaten..., aber Percy's Zuversicht ist unglaublich ausdauernd, ohne dass sich dies in der Realität tatsächlich erhärten würde und einen Funken Hoffnung gebären könnte. Trotzdem sind für Percy diese zwei Monate Schmerzleiden fast inexistent, denn jeden Tag ist's ja besser... nur ich Tröte erkenn es nicht....

 

Hinzu kam, dass unsere Fussgelenke von dutzenden Mücken- oder Flohstichen übersät waren.  Natürlich konnten wir das Kratzen nicht sein lassen und trugen schlimme Entzündungen davon, mit starken Schwellungen. Desinfektion und Wundsalbe kam zu spät. (Pj: Die Flohstiche kamen übrigens durch Cécile's Liebe zu Hunden zustande bzw. durch das tägliche Streicheln der Flohtransporterbabys landeten die Viecher in unserem Bett. Dass ich den kleinen weissen Hund mal morgens früh lange streichelte und mich über seine dunklen Flecken auf dem Fell wunderte sage ich niemandem. Vorallem auch deshalb, weil mir der Restaurantbesitzer die ganze Zeit beim Streicheln zuschaute und mir am Ende empfahl, vor dem Frühstück vielleicht die Hände zu waschen. "Dog in toilett sleepin' " hörte ich ihn dann noch ganz leise sagen, dann zog er wieder stillächelnd an seinem Chillum.)

Aus winzigen Stichen bildeten sich riesige, eitrige Krater, die wir zumindest vor den gierigen Fliegen schützen mussten. Gegen das dafür ungünstige, humide Klima lässt sich wenig unternehmen...

Zugepflastert und einbandagiert sahen wir wie Kriegsveteranen etwas betrübt in die Zukunft und humpelten schmerzgequält dahin.

 

Percy konnte also die anhänglichen Schmerzen nicht ohne gutes Gewissen sich selbst überlassen und so schleppt er diese weiterhin mit. Nun gut, wir haben uns an diese Trio-Reise gewöhnt und machen das Beste draus. 

Während ich das schwere Gewicht buckle, versuchen wir Percy's Rücken zu schonen. (Pj: Die Rucksäcke sind etwa gleich schwer.)

 

Aber so schnell lassen wir uns ja nicht klein kriegen! So genossen wir sitzend eine Tagesreise auf der öffentlichen Fähre und fuhren durch die Hauptkanäle der berühmten Backwaters.

 

Danach haben wir das Herumreisen endgültig als unsinnig erklärt. Auch Percy sah ein, dass wir so weder vom Fleck, noch in den Genuss unserer Reisepräferenzen kommen. 

Da seine Muskeln selbst bei Untätigkeit und mit viel Bier nicht entspannten und die sporadischen Massagen nur kurzfristig Linderung verschafften, musste 'ne andere Lösung her.  

 

Da tatsächlich gab der Sturkopf nach und wir quartierten uns für sieben Tage (bis zum Abflug) in Thrivanantapuram in einer klassisch ayurvedischen Klinik ein.

 

Wie Ölsardinen liegen wir nun auf den Pritschen, dürfen nichts tun außer essen, schlafen und Medizin einnehmen.

Täglich erhält Percy ein bis zwei Massagen inklusive Dampfbad. Manchmal wurde er sogar von zwei Masseuren gleichzeitig behandelt, welche ihn mit warmen Medizinwasser übergossen.

Na wenn das nicht hilft!

 

Während bei mir als "sideeffect" keine Haare mehr ausfallen und die Behandlung meiner Migräne mir tatsächlich nochmals eine Tiefenentspanung ermöglichte, was auch meinem Magen erstaunlich gut tat, so hat Percy zumindest kurzzeitig Höhenflüge, wenn bei ihm ein Gelenk oder ein Wirbel geräuschvoll knackt. Auch wenn die betroffenen Muskeln kurzzeitig entspannen und der Schmerz nachlässt, so beginnt das Spiel am nächsten Morgen wieder von vorne... ohjeohje...

 

Natürlich denken wir dabei oft, dass es nun wohl endgültig Zeit ist, zurück in die Schweiz zu ziehen, ohne romantische Wanderung oder nettem Fahrradreisli.

 

Doch es graut uns schon etwas vor der dort noch herrschenden Kälte... und ja, wir genießen natürlich das Herumtrödeln immer noch sehr.

Es tut uns gut nun wirklich ohne Ideen und Pläne die Zeit zu genießen. Es werden ganz andere Qualitäten des Seins möglich, was vorher durch fortwährende Bewegung nicht entstehen konnte.

 

Und natürlich ist das Leben hier einiges günstiger als zu Hause, womit wir natürlich die Rückreise gerne nochmals etwas hinauszögern. Während Percy noch immer daran glaubt, dass er mit dem Fahrrad von Bulgarien nach Hause fährt, freunde ich mich damit an, dass wir wohl mit Zug oder Bus irgendwo ankommen werden und unsere Freunde mit einem Spontanbesuch überraschen werden ;).

 

Seltsam oder? So lange sind wir nun schon "frei"und versuchen möglichst spontan und mit gegenwärtiger Präsenz den Moment des Seins zu genießen. Doch stets war da ein Hintergedanke, ein Plan, ein Ruf.  Doch jetzt liegt nur knisternde Leere vor uns. 

 

Heute Abend fliegen wir über Dubai nach Istanbul und am Samstagmittag werden wir mit Freude Rita wieder in die Arme schließen können.

 

Und dann?

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Eva Mam (Mittwoch, 13 März 2019 22:14)

    Oh. Mamma Mia! Das sieht ja ganz schlimm aus!!! Welche Füsse sind das denn???
    Zeit dass ihr nach hause kommt.!!!
    In Liebe Mam Eva