Time to say good bye?

...seit wir unterwegs sind ist dies die erste Schnittstelle auf dem Weg zurück in unsere unbekannte Zukunft als arbeitstüchtige, schweizer Bürger.
Es ist der Ort wo einst unser Abenteuer so richtig begann und nun sein Ende findet.

Istanbul zeigt sich uns nun wie ein Schmelztiegel in dem Fragmente und Bruchstücke aller angetroffenen Kulturen und Ethnien sich zu vermischen scheinen.
Was uns vor 14 Monaten noch fremd und unbekannt war, ist uns nun doch sehr nah und vertraut.
An uns laufen zentralasiatische Gesichter vorbei, wir hören Georgier und verstehen sogar ab und zu ein Wörtchen von russischen Touristen. Auf dem Bazar werden Waren feilgeboten deren Herkunftsort wir leicht wiedererkennen, seien es die bunten Kopftücher aus Kirgistan oder Tadjikistan oder die herrlich duftenden Gewürze aus Indien.

Erstaunlicherweise hatten wir relativ schnell unseren mickrigen Türkischwortschatz wieder griffbereit und damit bringen wir nun die gastfreundlichen Türken wieder zum lachen. An unserer Aussprache
und Betonung müssen wir wohl noch etwas feilen...

Von hier aus sollte unsere Rückreise beginnen, zu Fuss und später mit dem Rad, doch die Wunschblase ist nun endgültig geplatzt:

In Istanbul besuchten wir als erstes eine Apotheke und zeigten unsere seltsamen Pusteln und Blessuren.
-vielleicht hatten wir mit unserer naiven Hoffnung zu lange gewartet, dass das eurasische Klima die Wundheilung verbessern würde.-

Jedenfalls ernteten wir nicht nur ein Kopfschütteln beim Gegenüber,
erstmal wurde auch ein großer Schritt Abstand genommen.
Bei den neugierigen Zuschauern erkannte man die ersten Anzeichen von Ekel im Mundwinkel... huuuii... und alle wissen wie es ist in Indien, allem voran einfach nur schmutzig und unhygienisch...


Mit allerlei Entzündungshemmer und antibiotischen Salben beladen verliessen wir die Apotheke.
Eine Woche später zeigte dann das Blutbild den Beweis, da sind lästige Trittbrettfahrer am Werk.

Mit Antibiotika bewaffnet haben wir nun also den bösartigen Winzlingen den Kampf angesagt.
Na, wer hätte gedacht, dass wir uns nach drei Monaten Indien doch noch eine bakterielle Infektion einfangen.

Kurzzeitig fühlten wir uns sogar wie Parasitenschmuggler, jedenfalls sahen wir es in Rita's Blick, sie hätte uns wohl lieber erst nach der Quarantäne empfangen und uns nicht so leichtfertig in ihrem Bett schlafen lassen...


Rita, -Reiseradlergefährtin während der Pamirüberquerung-, hatte uns im Altstadtbezirk, nicht unweit vom Marmarameer, herzlich in der Türkei empfangen und die ersten Tage gütig bei sich aufgenommen.
Wie schön war es wieder einem vertrauten Gesicht zu begegnen, sich über die Erlebnisse und Erfahrungen als "Fremde" auszutauschen und über die Ängste und Hoffnungen in Bezug auf die Rückkehr in die Schweiz zu besprechen.

Dank Rita, beziehungsweise ihren Kontakten, konnten wir zum Genesen eine hübsche Wohnung beziehen und es wurde uns ein Zugang zu guten Ärzten verschafft. 

Tja, und dann war das MRT-Bild da. Zwischen Percy's Wirbeln lehnt sich eine Bandscheibe sehr mutig aus ihrem Fenster.

Wie unpassend!
Doch wieder wurde die Hoffnung geschürt, mit Physiotherapie liessen sich die Beschwerden wohl beheben und so bleiben wir vorerst mal hier, beobachten, lassen die Wanderschuhe im Schrank vor sich hin müffeln und die Stahlpferdchen bleiben in der Scheune gut aufgehoben.


Sonnenaufgang über dem Kaukasus (glauben wir zumindest)
Sonnenaufgang über dem Kaukasus (glauben wir zumindest)

Es drehen sich viele Gedanken in unseren Köpfen und ebensoviele Gefühle wirbeln in uns...ja wo eigentlich?

Im Geist? Im Herzen? Im Bauch?

Jedenfalls sind sie da und wollen ernst genommen werden.

So sehr wir uns auch auf die Rückreise gefreut haben und uns freuen in der Schweiz zu sein, unsere Freunde zu treffen (dabei hüpft das Herz wie wild), wieder Wasser aus der Leitung trinken zu können (da gluckert der Bauch angenehm), die Sprache zu verstehen und nicht wegen allem "SchnickSchnack" den Preis aushandeln zu müssen (da schnurrt unser Geist zufrieden), so mahnt uns doch die Unsicherheit zur Vorsicht.

Natürlich haben wir durch all die Erfahrungen Vertrauen in die Welt und ihr Chaos finden können, dass da stets eine Türe aufgeht und eine passable Lösung offenbart wird. Doch wir zweifeln manchmal. Gelingt es uns dieses Vertrauen mit "nach Hause" zu bringen?

Was, wenn wir es nicht schaffen eine Brücke zu bauen, damit die Menschen uns verstehen, wir sie verstehen?

Es ist gut, lernen wir bereits hier in dieser riesigen Stadt wieder häuslich zu sein. So verabschieden wir uns vom Reisealltag und pendeln uns schon mal auf mehr Statik im Leben ein.

Rückblickend haben wir unsere "Frei-Zeit" ausgekostet, auch wenn uns bisher die Einsicht auf unser "weiteres Sein und Wirken" vorenthalten blieb, so haben wir dennoch eine Ahnung wozu wir fähig sind, aber befürchten auch den Anforderungen nicht mehr gerecht werden zu können. 


Es gruselt uns vor all der Bürokratie und den Entscheidungen die vor uns liegen, ja wir gestehen, in einer schwachen Minute sogar schon die Prämien der schweizer Krankenkassen verglichen zu haben. 

Aber schnell flüchten wir uns wieder in die utopische Vorstellung, dass wir das noch etwas länger auf die lange Bank schieben können...


Wie gerne würden wir wieder in den Sattel steigen und erneut durch unbekannte Landschaften radeln. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Impi (Samstag, 30 März 2019 14:00)

    Liebe ihr beide

    Ich kann eure Gedanken sehr gut nachvollziehen, auch wenn ich noch nie so lange fahrradfahrend durch die Gegend gezogen bin. Es ist halt schon so: Nachhausezukommen ist oft schwieriger als wegzugehen. Und doch ist es oft so, dass man sich doch schnell an das Alte gewöhnen kann. Ihr habt ja bewiesen, dass ihr euch sehr gut auf Neues einlassen könnt, darum zweifle ich keinen Moment daran, dass ihr das nicht auch in der Schweiz schaffen werdet. Werdet aber schön eure Tierchen los, dich in euren Körpern noch rumschwirren...dann seid ihr in meinem Heim jederzeit willkommen.
    PJW: Ach du scheisse, diese Bandscheibe. Und wenn man sie so rausgedrückt sogar auf dem MRI sieht, bedeutet das nichts Gutes. Überlege dir gut, was du da machst.

    Passt auf euch auf und lasst uns wissen, wann es soweit ist, dass ihr nach Hause kommt....

    Kuss und fest lieb

    Impi

  • #2

    Lux (Mittwoch, 10 April 2019 22:39)

    huhuuu! und, wo seit ihr nun? im Süden? in der Schweiz? (wir haben hier eine tolle Wohnung/ Haus frei, :P
    freu mi uf eu!!
    hugy und bis gli
    Luzia

  • #3

    Margrit (Sonntag, 14 April 2019 20:49)

    O-danke für die Nahrichten, wünsche euch eine unproblematische Heimreise.
    Ich freue mich auf ein Wiedersehn.
    Seid lieb gegrüsst
    Margrit